Im Informationszeitalter
sehr interessante Landschaften gibt. Nein, das ist eintönig, das ist wirklich eine Wüste. Wer wird schon für 10 oder 20 Jahre oder gar für das ganze Leben in der Wüste und dazu noch in einem geschlossenen Gefängnis leben?
Dafür gibt es dann vielleicht die Virtuelle Realität oder die Phantomologie. So ließe sich vielleicht das Leben in einem Gefängnis aushalten.
Stanislaw Lem: Das ist schon etwas anderes. Aber auch wenn man phantomologisch das Beste zum Essen bekommt, so wird man davon nicht satt.
“In der Welt wimmelt es von Idioten”
Stanislaw Lem ist einer der populärsten Sciencefiction-Autoren. Romane wie “Solaris” und “Eden” waren Bestseller. Und sie haben unseren Blick für totalitäre Versuchungen, die in neuen technischen Möglichkeiten wie dem Internet stecken, sensibilisiert. Kurz vor dem Millenniumswechsel zog er eine traurige und wütende und weise Bilanz seiner Vorhersagen. In seinem Haus in der Nähe Krakaus besuchte ihn Mechthild Bausch.
Herr Lem, wissen Sie, was eine Suchmaschine ist?
Stanislaw Lem: Ja. In diesem Raum steht zwar nur eine sehr alte Schreibmaschine, aber nebenan befinden sich Computer, Scanner, Fax, Drucker und Anschluss ans Internet. Ein Sekretär arbeitet für mich. Ich versuche die ganze Last der Verzweigung in die Welt auf andere abzuschieben, denn ich kann das nicht alles bewältigen. Ich habe vor ungefähr elf Jahren aufgehört Sciencefiction zu schreiben und interessiere mich für andere Dinge, Philosophie der Wissenschaft und Internet.
Haben Sie damit gerechnet, dass Ihre Visionen Wirklichkeit werden?
Lem: Man kann die Richtung, aber nicht die Einzelheiten voraussagen. Ich habe die Hinwendung zur Biotechnologie, zur Nachahmung realer Lebensprozesse, zutreffend vorausgesagt. Aber wie tückisch das alles ist, konnte ich nicht wissen.
Außerdem stammt von Ihnen der Begriff “Phantomatik”.
Lem: Ja, heute verstehen wir darunter “virtuelle Realität”. Als ich vor 36 Jahren ein Buch darüber schrieb, zweifelte ich nicht daran, dass man einen Himalaya oder ein Labyrinth würde programmieren können und mit mehr Geld einen Jurassic Park voller Dinosaurier. Aber sie können kein intelligentes Wesen programmieren, mit dem sie reden können. Das wusste ich.
Wird es solche Wesen einmal geben?
Lem: Zuerst müsste man Programme für künstliche Intelligenz haben, deren Erfindung ich einer sehr fernen Zukunft, wenn überhaupt, zugeschrieben habe. Wäre Sie konstruierbar, müsste es zudem sehr viele Sorten davon geben, so wie es viele Sorten menschlicher Intelligenz gibt. Es gilt, was Wittgenstein gesagt hat: Worüber man nicht sprechen kann, darüber soll man schweigen. Aber die Leute schreiben heute unglaubliche Dinge. Ein Chirurg behauptet, man könnte Menschen den Kopf abschneiden und einen anderen Kopf annähen. Erstens ist das unmöglich, und allererstens ist es idiotisch. Es würde ein ganz anderer Mensch entstehen.
Zählt Erfolg für Visionäre?
Lem: Ich muss gestehen, es gibt eine Sorte so genannter Gelehrter, die ich immer sehr wenig geschätzt habe, die so genannten Friedensforscher und Politologen. Sie haben nicht zu friedlichen Lösungen beigetragen, sondern Bücher geschrieben.
Sie haben sich mal als Robinson Crusoe der Futurologie bezeichnet. Haben Sie Ihre Insel verlassen?
Lem: Ich sitze um Gottes willen nicht auf einer menschenleeren Insel. Ich korrespondiere viel und versuche mit den Leuten im Gespräch zu sein. Es wimmelt in der Welt von Idioten. Mit Herrn Trittin würde ich niemals über die negativen und positiven Seiten der Atomenergie sprechen, weil er keine Ahnung hat. Dummköpfe erkennt man daran, dass sie nicht wissen, dass sie Dummköpfe sind und sich mit keinem Argument überzeugen lassen.
Was kann man dagegen ausrichten?
Lem: Ein einzelner Mensch kann sich nicht für die Gesellschaft verantwortlich fühlen. Die ganze Welt ist eine einzige Katastrophenlandschaft. Das war immer so. Nur die Technologie, derer wir uns bedienen, ist mächtiger geworden. Früher konnte sich die Menschheit nicht durch Klimaveränderung und nuklearen Krieg den Garaus machen, heute kann sie das. Es gibt zu viele Menschen auf dem Erdball. Als ich aufs Gymnasium ging, gab es zwei Milliarden Menschen, heute sind es sechs. Es ist auch typisch, dass für Katastrophen niemand belangt wird. Wenn jemand eine Uhr klaut, kommt er in den Knast, jemand, der drei Millionen Menschen umbringt, nicht. Je größer die Gräueltaten, desto kleiner die Folgen.
Wie
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