Im Informationszeitalter
offensive Haltung gegen jede Form der Ketzerei, die sich dadurch definiert, daß sie die Amtskirche auf einen inneren Mißstand hin weist: “Für die Ketzer hat das Heilige Büro die Botschaft verraten, deformiert; aber für das Büro bestätigt die Ketzerei zusätzlich das Wirken des altbösen Feindes…” (Amery 1985 a, S. 99). Die innere Front wird damit von der Amtskirche als der äußeren Front zugehörig definiert. Im Romangeschehen gehört zu dieser äußeren Front, wie oben beschrieben, vor allem die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus. Die Konkurrenzsituation der beiden Systeme entsteht über der Gemeinsamkeit, daß beide an die Erlösbarkeit des Menschen glauben. “Geschichte ist ein ewiger Kampf zwischen Gut und Böse. … Das latente soziale Unbehagen des Lesers verlangt nach einem Schuldigen, nicht nach Aufklärung über soziale Prozesse.” (Pehlke/Lingfeld 1970, S. 86).
Die Lesersympathien konzentrieren sich im KP auf der Seite der naiv-komischen jakobitischen Invasionstruppen, die, berauscht vom Ruf der Geschichte, in Wirklichkeit aber im Intresse des Vatikans manipuliert, fest an ihre Sendung glauben: “Das ist natürlich die eingebaute Ironie von A bis Z. Die Ironie, die darin besteht, daß die keltische Phantasie sich die Wirklichkeit nicht gefallen läßt.” (Amery-Interview 1995, S. 4) Entscheidend ist für Amery an dieser Stelle, daß der Zusammenhang zwischen dem Mythos um Ludwig II. und dem Prinz-Charly-Mythos verstanden wird: beide sind keltische Könige bzw. Prinzen. Motive der keltischen Geschichte ziehen sich durch den ganzen Text.
“Neben unheilvollen und segensreichen Folgen gibt es noch ein Drittes: überhaupt keine Folgen. Das Projekt könnte verschwinden, als wäre es nie gewesen.” (KP,
S. 103). Die Prophezeiung Sbiffo-Trullis 6 soll sich erfüllen: das Heer der schottisch-bayrischen Allianz versinkt in einem Meer des Mythos, Prinz Charly erweist sich als alter, verbrauchter Mann und die mächtige Waffe MYST verschwindet in einer fernen Vergangenheit, um dort demontiert und zu Schmuck verarbeitet zu werden.
Aufgrund der “Quellenlagentheorie”, die Amery als rationales Element in das Fundament seines Romans einfügt, bergen nur die “Leerstellen” der Geschichte Möglichkeiten für Zukunftstendenzen. In dem Moment, wo in Rom die geheimen Protokolle der CSAPF gelöscht werden, wird das “Königsprojekt” wieder zu einer Leerstelle: die “Verlierer der
Geschichte” verschwinden aus ihr im See Aphalijn -und vereinen sich mit der Welt keltischer Sagen.
Der Hauptzeitstrang hat sich nicht geändert, so daß die “Wahrheit” des Geschehens sich dem Leser dadurch präsentiert, daß in der Gegenwart keine Spuren des “Königsprojektes” mehr zu finden sind. Amery benutzt einen logischen Kunstgriff in seinem Lügenmärchen: Fiktion und Wahrheit verschmelzen zu einer Einheit durch die geschickte Kombination tatsächlicher und erfundener Fakten der Geschichte (zum Beispiel die Erklärung der “Teufelserscheinung Luthers” als Begegnung mit einem Zeitagenten, vgl.: KP, S. 98). Damit stellt er seine Satire auf ein wirklichkeitsnäheres
Fundament als Lem, der sie in einen abstrakten Rahmen setzt und dann mit strukturellen Analogien zur Wirklichkeit satirisch-kritische Wirkung erreicht. Die analogischen Verbindungen haben bei Amery eine viel größere und auch explizit gekennzeichnete Verbindung zum bezichneten Objekt.
Die offizielle Seite der Geschichtsschreibung wird im KP vertreten durch Doensmaker und Dr. Enigmatinger. Beide versuchen, die Geschichte auf einen Kurs einlenken zu lassen, der den Interessen der Kirche entspricht. Die Theoretische Abteilung entwirft eine Utopie nach den Prinzipien der Alternativgeschichte und MYST ist in der Lage, die Utopie umzusetzen, die darauf abzielt, die aus der Romangegenwart gesehene Zukunft der Kirche zu verbessern. Bei all den historischen Handlungsorten wird leicht übersehen, daß es innerhalb der Handlung um die Zukunft geht 7 und die Zukunft des Romans ist wiederum bereits die Vergangenheit des Lesers.
An dieser Stelle muß unterschieden werden zwischen weltlicher Utopie und kirchlicher Eschatologie: eschatologisches Denken ist zwar auf die Zukunft ausgerichtet, doch verleugnet es alternative Möglichkeiten zu dem als vorgezeichnet ausgegebenen Weg. Im “ Königsprojekt ” wollen Kleriker dem Heilsplan Gottes nachhelfen. Die ironische Verschränkung der Elemente wird deutlich: regressive Kleriker haben
Weitere Kostenlose Bücher