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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Weg gehen, in dem sie auf natürliche Weise Stufe um Stufe der Entwicklung durchläuft und alles Gute und Schlechte, was dabei herauskommt, ausschließlich sich selbst zu verdanken hat.” (Kyberiade S. 289).
    Trurl will sich in der letzten Fabel mit diesem Bericht von Klapauzius nicht zufrieden geben. Da die alten Gesellschaften sich offensichtlich nicht beglücken lassen, will er neue schaffen, die “von Natur aus” glücklich sind. Seine universelle Arbeitshypothese ist: “Entsprechend den Mängeln in der eigenen Konstruktion stellt jedes Geschöpf sein Ideal der absoluten Vervollkommnung auf.” (Kyberiade S. 309). Durch eine vollkommene Konstruktion will er das Problem lösen; die letzte Fabel dokumentiert Trurls Versuche und sein Scheitern.
    “He (Lem AA.) mixes simple anecdote and pointed satire throughout the collection until he shifts at the end to the philosophical material.” (Ziegfeld 1985, S.
    462
    26). Die letzte der Kyberiade-Fabeln ist auch zugleich die komplexeste, als ob Lem zum Schluß das Gesagte zusammenfassen wollte.
    Die “Experimenta Felicitologica ” ist ähnlich der philosophischen Geschichte aus der Tradition Voltaires 34 und Swifts 35 . Trurl als “technischer Gulliver” versucht, im (selbstgestalteten) Land der Zwerge für Glückseligkeit und Ordnung zu sorgen, scheitert aber, je mehr er sich in die von ihm para-meterisierte Ordnung einschaltet. Zudem ist Trurl noch Schöpfer der Gesellschaften, die er “beglücken” möchte und somit in besonderer Weise für sie verantwortlich.
    Die Geschöpfe halten sich wörtlich an die Parameter, die Trurl ihnen eingibt; sie sind Sklaven ihres Programms. Lem präsentiert dem Leser eine Parabel über die Menschen, denn nach seiner Anschauung sind auch wir unserem genetischen Programm ausgeliefert. In den Fabeln ist das Ergebnis der Schöpfungen trotz der Parameter immer wieder eine Überraschung; schließlich sind die Schöpfungen als Experiment angelegt. Das Prinzip einer ontologischen Schuld 126 lehnt er dabei für die Schöpfung strikt ab, im Gegenteil, er dreht die Schuldfrage um und führt sie “ad fontes”: “(Somit) … bedeutet jede Schöpfung eines denkenden Wesens, es zum Leiden zu verurteilen. … Aber die größte Schuld - für die größte Verantwortung
    - liegt beim ersten Schöpfer.” (Berthel 1976, S. 149). Kandel deutet die Darstellung fehlerhafter Götter in “Kyberiade” als Verspottung des christlichen Gottes, eine Deutung, die für Lem nicht angemessen ist. Der Mensch - in welcher Form auch immer - ist das Opfer der Lächerlichkeit. Nicht die absoluten Werte sind komisch, sondern die Art, wie der Mensch es versucht, sich ihnen zu nähern; nicht die Schöpfung ist komisch, sondern die Art, wie die Menschen sich selbst in ihr glorifizieren 36 . Deswegen fehlen konkrete Bezüge zu Christus, der Auferstehung oder ähnliche Topoi der christlichen Lehre.
    “Dem SF-Kitsch haftet das implizite Versprechen seiner Allmacht an…” (Lem 1987, S. 65). Eines der starren Strukturelemente des SF-Kitsches ist die
    Anlehnung an Mythen 37 . Diese werden bei Lem systematisch aufgelöst: “Meine Taktik dem Kitsch gegenüber war, ihn zu verspotten…” (Lem 1987, S. 84). Deswegen positioniert er das Motiv der Technik in einem ambivalenten Rahmen von Nutzen und Fehlfunktion; sie ist bei ihm nicht der technische, sich immer bewährende Sklave des Menschen wie beispielsweise das berühmte Raumschiff “Enterprise”. In diesen “Space-Operas” dient die Technik als fixierter Hintergrund für Konflikte (wie Eifersucht, Machthunger), wie sie in einem nichtfiktionalen Rahmen ebenso möglich wären. Dieser Spott auf den technischen Allmachtsglauben ist, genauer betrachtet, von unerhörter Grausamkeit. Diese wird durch die Verfremdung und diverse Ablenkungsmanöver geschickt getarnt, doch schließlich sterben ganze Kulturen meßbaren Bewußtseins auf Trurls Objektträger, Kulturen die Merkmale der unseren tragen.
    Es zeigt sich, das Trurl und Klapauzius ohnmächtige, da einseitig begabte Götter sind, denen sich die Schöpfung entzieht 38 , der sie aber auch nicht helfen können. Der Kritiker John Rothfork (vgl.: Ziegfeld 1985, S. 90) vergleicht Trurl und Klapauzius mit
    Laurel und Hardy; Trurl als Laurel provoziert die komische Situation, die Klapauzius/Hardy veranlaßt, sich zu ärgern, oder seinem Freund aus Verlegenheiten zu helfen. Letztlich bezieht sich der Spott auf den Autor Lem selber: er, der literarisch mit den verschiedensten

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