Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
die durch die “Völker” der Rosmer und der Passauer vertreten werden.
    “Indes erzählt die Science Fiction vergleichsweise selten von Katastrophen, die dem Menschengeschlecht keine Zukunft lassen. Wichtiger sind die anderen, die es von der Vergangenheit befreien.” (Hienger 1972, S. 104). Im Unterschied zur Apoklypse der christlichen Lehre ist das Motiv der Katastrophe in der SF nicht das Ende aller Geschichte. Die Katastrophe kann, ob nun natürlichen oder künstlichen Ursprungs, als Chance betrachtet werden, die genutzt oder nicht genutzt wird. Die hoffnungslose Situation geht ihr in den meisten Fällen voraus. In der Mehrzahl der Beispiele stehen die Überlebenden vor der Situation, in die Geschichte zurückgeworfen worden zu sein, in der sie ererbte Techniken nicht mehr auf Dauer nutzen können und eigene Konzepte entwickeln müssen. Diese Konzepte für das Weiterleben können neu sein, aber auch auf Bekanntes zurückgreifen oder beide Aspekte vereinen. Die Geschichte wird durch die Katastrophe besser korrigierbar, als durch die Zeitmaschine 41 : “Zur Kurskorrektur großer Entwicklungen sind Katastrophen erforderlich.” (Demandt 1984, S. 92).
    Eine Voraussetzung ist natürlich, daß die Geschichte nach der Katastrophe fortgesetzt wird.
    Formal ist das Motiv der Weltkatastrophe mit dem der Schaffung einer Alternativwelt verwandt: an eine unbestimmte Zukunft oder Vergangenheit wird die Frage gestellt: Was wäre, wenn … ?
    “Historisch für das Wahrscheinlichste halte ich - neben dem immer möglichen atomaren Weltbrand, den die Parasiten in ihrer Todesangst auslösen - eine Mischung aus Katastrophen und Ansätzen, aus regionalen Zusammenbrüchen und Rettungsversuchen, aus Blindheiten und mühsam gewonnenen Klarheiten.” (Amery 1985 a, S. 368).
    Bei Amery als auch bei dem Althistoriker Demandt 133 erfährt die Katastrophe eine Aufwertung in der Interpretation als mögliche Chance; Amery unterscheidet in diesem Zusammenhang die totale von der produktiven Weltkatastrophe.
    In “Die starke Position oder Ganz normale MAMUS” (Amery 1985 b) beschreibt er in der achten Satire “Analyse und Verantwortung” das Projekt “Futuribles Biomorphes” 42 . Jean-Jacques Smerdyayer, der Direktor der Arbeitsgruppe, stellt den Plan vor, das Überleben der Menschheit zu sichern, indem eine gezielt induzierte Epidemie die Weltbevölkerung vor der Überbevölkerung bewahrt. In diesem Sinne ist die Novelle Amerys anders als das Vorbild Millers kein Kataklysmusroman: es geht nicht um die globale, absolute Zerstörung, die auch Flora und Fauna in Mitleidenschaft ziehen würde - im Gegenteil, diese erhalten sogar eine Erholungspause von der Menschheit. Genau genommen soll die Epidemie der eigentlichen Katastrophe zuvorkommen: dem globalen Zusammenbruch durch totale Überbevölkerung.
    Das Resultat der Seuche wurde bereits in der früheren Erzählung “Der Untergang der Stadt Passau ” vorgestellt: die Wissenschaftler haben sich verrechnet. Der Immunitätsfaktor wurde durch einen Irrtum um den Faktor 500 auf 1000 reduziert. Dadurch läßt sich in der Nachkatastrophenwelt der technologische Standard der Vorwelt nicht halten; stattdessen fungiert die Katastrophe als Zeitsprung einer ganzen Zivilisation in die eigene Vergangenheit - und gewinnt dadurch an Zukunft. Vor die neue Situation gestellt, hat die Menschheit die Wahl, wie sie sich in der Zukunft entwickeln möchte - mit dem Hintergrundwissen einer vergangenen Zeit, die sich in eine gefährliche Sackgasse hineinentwickelte. Die Frage ist nun, ob die Menscheit aus den Fehlern lernen kann.
    1
    Die Entscheidung gegen die Stuarts in England fiel fast 100 Jahre vor der Unabhängigkeitserklärung der USA. In der Romanhandlung wird die Konsequenz abgeleitet: “Damit liege auf der Hand, daß das Problem, welches die christliche Welt heute am meisten bewege, nämlich das Vordringen des marxistischen Atheismus und seiner halbherzigen Abwehr durch die sog. Freien Nationen, letzten Endes eine Konsequenz jenes Sieges des >Löwen< über das >Einhorn< sei.”(KP, S. 35) Zur Zeit der Romanhandlung neigte sich gerade die Stalin-Ära und damit eine besonders agressive kommunistische Periode dem Ende zu.
    424
    2
    Oberfläche bleibt (z. B. eine Unterstützung der kirchlichen Verwaltung durch moderne Datenverwaltung, wie es bereits geschehen ist) oder auch in die Tiefenstruktur vordringt. Über letzteres wird im Folgenden zu sprechen sein.
    3
    Füßli beschreibt in der Vergangenheit

Weitere Kostenlose Bücher