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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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4. eingegangen werden.
    7.1. Verschiedene Methoden der Abstraktion
    In “Das hohe Schloß ” erzählt Lem autobiographisch aus seiner Kindheit; sein liebstes Spiel war, sich durch “geheime Dokumente” und “Sondervollmachten” eine symbolische Welt aufzubauen. Mit dieser “bürokratischen Liturgie” (so Lem) gelangte er an eine Schwelle von Kunst und Absolutem: “Später wird man im Werk Stanislaw Lems den Taumel des Spiels an der Grenze des Heiligen und des Grotesken wiederfinden -das Spiel mit dem Absurden und dem Absoluten.” (Sila in: Berthel 1981, S. 57). Es läßt sich deuten, daß Lem schon damals etwas literarisch zu beherrschen suchte, was de facto außerhalb seiner Möglichkeiten lag.
    In seiner Kritik an Todorovs “Theorie des Phantastischen ” 24 (1972) spricht sich Lem entschieden gegen die strukturalistische Methode aus. Strukturalismus ist seiner Ansicht nach nichts weiter “als der erste Versuch, Literaturwissenschaft mit naturwissenschaftlicher Strenge zu beschreiben.” (Lem 1981 b, S. 9). Lem orientiert sich als Autor am literarischen Experiment: “… ich ging immer nach der
    Methode von trial and error vor” (Lem 1986, S. 53). Dieser “literarische Behaviorismus” richtet sich bei Lem nach seinem subjektiven Empfinden - schließlich gibt es keinen Maßstab für Literatur. “Der Strukturalist erkennt die semantischen Skelette, doch die Schönheit der Werke ist keine ausschließlich von solchen Skeletten abhängige Variabel.” (Lem 1986, S. 75). Besonders in der Kritik an Todorov bekennt sich Lem zum Subjektivismus. Todorov erklärt, daß er alle Fragen der Ästhetik übergehen müsse, da sie zu komplex für seine Untersuchungsmethode seien; gerade an dieser Feststellung stößt sich Lem, ebenso wie an dem Versuch, Kunstwerke in ein System einzufügen. Nach Lems Verständnis wird ein Werk um so mehr zum Kunstwerk, je origineller es ist (vgl. Lem 1981 b, S. 10). Demzufolge entgehen Todorov nach Lem gleich zwei der wichtigsten Elemente der phantastischen Literatur: das Spielmoment und das ästhetische Moment. Im Gegenzug stellt Lem eine Theorie der empirischen Literatur auf; in “Phantastik und Futurologie ” (1984) baut er ein umfassendes theoretisches Gebilde auf, schafft es aber nicht, es zu einem konkreten Abschluß zu bringen. Lem unterscheidet zwei Arten der Phantastik:    eine
    “vorübergehende” und eine “endgültige” Phantastik. Zur ersteren gehört beispielsweise die Metamorphose eines Menschen in ein Insekt, wie sie bei Kafka verwendet wird. Kafka funktionalisiert dieses Motiv, um eine sozio-psychologische Situation zu veranschaulichen.
    “Die merkwürdigen Phänomene bilden also nur die äußere Schicht dieser Welt; sie hat einen inneren Kern, der einen guten, nicht phantastischen Sinn hat. Die Objekte werden also als semantisch aufzeigende Zeichen benutzt.” (Lem in: Quarber Merkur 1979, S. 21). 25
    Die “vorübergehende” setzt die Regelwerke der Wirklichkeit nur partiell außer Kraft; zur “endgültigen” Phantastik zählt er beispielsweise das Märchen und SF mit einem weitgehend eigenständigen Regelsystem. Amerys Werk aber fällt nach Lems Definition in die gleiche Kategorie wie das oben genannte Werk Kafkas, da es die Gesetze der Geschichte sind, die in einer Extremlage untersucht werden.
    Die Methode, wie SF-Motive und “Sonderregeln der Testwirklichkeit” bei Lem und Amery ihre Verwendung finden, ist verschieden. Unterschiedlich ist vor allem der “Grad” des phantastischen Gehalts. Auf der Ebene der Darstellung divergieren die Welten von Amery und Lem weitgehend; auf der denotativen Ebene dagegen konvergieren sie in der Kulturkritik einer real existierenden Welt - und ihren Entwicklungstendenzen: “Ein literarisches Werk kann also die Welt beschreiben, wie sie ist; oder es kann sie deuten. … Gewöhnlich aber kann ein Werk beides zugleich tun.” (Lem in: Quarber Merkur 1979, S, 21). Sowohl Amery als auch Lem versuchen, Beschreibung und Deutung in ihren Werken zu vereinen. Dabei ist auffällig, daß Lem sich ungern mit der Beschreibung aufhält und daher seine Welten in einem “freien Raum” positioniert; dort kann er mit Gesetzen der Wirklichkeit “spielen”, so daß der Aussagewert der Spiele sich auf philosophische Theorie konzentriert. Besonders deutlich wird dies in der fünfzehnten Fabel der “ Kyberiade ” in den vergeblichen Versuchen der Konstruktion von Glück. Die Regeln der Physik und der Biologie sind längst

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