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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Soziologie und Geschichte, aus denen er Tendenzen isoliert und über die Verfremdung zum Modell komplexer Zusammenhänge macht, die bis an die gegenwärtige Zeitgrenze heranreichen. Auch wenn er sich in “ Passau ” der Zukunft bedient, zeigen seine Gesellschaftsmodelle in den besprochenen Romanen keine Züge einer völlig neuen Zivilisation. Im Unterschied zu Lem verläßt sich Amery auf die Überzeugungskraft des Bekannten, Wiedererkennbaren, das vermischt wird mit Fiktivem. Nach eigener Aussage lehnt Lem Spekulationen über die Zukunft auf der Basis der Quellen der Vergangenheit ab: “Ich bin Antihistorist wie Popper, der meint, die Geschichte sei unvorhersehbar wie der Verlauf der natürlichen Evolution der Arten.” (Lem 1981 c, Vorwort II.) Damit lehnt er als SF-Autor nicht nur die historische Methode für die Vergangenheit ab; sondern seiner Ansicht nach ist auch die Geschichte der Zukunft noch weniger voraussagbar als die Evolution, da der kulturelle Faktor und die technologische Variabel als unbekannte Variablen mit einbezogen werden müssen. Einzig mittels der Methoden der Kybernetik lassen sich philosophische Problemstellungen auch bezogen auf die Zukunft diskutieren (vgl.: Lem 1986, S. 60/61). Damit widerspricht er den eingangs analysierten Theorien der Fiktiven Geschichte und leugnet gleichzeitig -unabsichtlich - den Wert der Deutung Amerys, die mit ihrer Methode viel näher an aktuellen Diskussionen ist. Der Münchener Soziologe Uwe Beck beschreibt die apokalyptische Vision Amerys auf eine ihm ganz ähnliche Weise - allerdings nicht belletristisch und ohne religiöse Vorzeichen. In “ Risikogesellschaft ” (1986) geht er auf die Probleme der “Postmoderne” ein; dabei verwendet er einen ähnlichen essayistischen Stil wie Amery in seinem theoretischen Werk: “Mit dem üblichen akademischen Abwägen ist der Schwerkraft des alten Denkens nicht zu widerstehen.” (Beck 1986, S. 12). Beide, sowohl Amery als auch Beck, haben einen Weg gewählt, der von den akademischen Richtlinien abweicht, um eine größere Freiheit in der Darstellung zu erlangen. Lem dagegen sucht die Nähe der Wissenschaften so sehr, daß er das Risiko auf sich nimmt, stellenweise unlesbar zu werden. Persönlich ist ihm die Anerkennung durch Wissenschaftler wichtiger als der Erfolg bei den Kritikern und seiner Leserschaft. Im Schlußwort zu “ Dialoge ” hebt er sein theoretisches Schaffen gegenüber seiner Belletristik ab, die für ihn letztlich nur eine Kompromißlösung war. Seine eigene “Spielfreude” straft ihn dabei Lügen, denn sie nimmt vielzu großen Raum neben den philosophischen Kerngedanken ein, als daß sie nur als “Abfallprodukt” gewertet werden könnte.
    Im Vergleich dazu erscheint sowohl das theoretische als auch das belletristische Werk Amerys weitaus gradliniger und zielgerichteter. Bei ihm steht nicht das Experiment im Vordergrund, sondern die Deutung, die aus dem “Gegen-den- Strich-Lesen” von bekannt geglaubtem entsteht.
    In einer Übersicht über die Entwicklung der essayistischen Schriften kann man beobachten, wie sich der Referenzbereich von der Beziehung zu Kirche und Welt zur ökologischen Verantwortlichkeit ausdehnt, bis schließlich alle Aspekte zusammengefaßt werden unter seine apokalyptische Vision vom Ende der Geschichte; in den Weltraum hinaus will er nicht.
    Parallel dazu entwickelt sich auch das belletristische Schaffen über das    ” Königsprojekt ”    zur
    mitteleuropäischen Geschichte in “An den Feuern der Leyermark” bis hin zur Weltkatastrophe in “Passau”. Das Motiv der Verzauberung und Entzauberung (als Verlust oder Gewinn des Wunderbaren) der Gegenwart ist bei Amery zentral: “Wurden im 19. Jahrhundert ständische Privilegien und religiöse Weltbilder, so werden heute das Wissenschafts- und Technikverständnis der klassischen Industriegesellschaft entzaubert…” (Beck 1986, S. 14). Die Zeitmaschine MYST, das technische Wunder vergangener Zeiten, entsteigt der Geschichte oder die Weltseuche wird als Deus ex Machina eingeleitet. Schließlich folgt bei Amery auf das Erscheinen einer “wunderbaren” Situation in beiden Romanen die Entzauberung: MYST verschwindet folgenlos in einer unbestimmten Vergangenheit, die Gesellschaft nach der Weltkatastrophe greift auf bereits gemachte Fehler der Geschichte zurück und nutzt die Chance eines Neubeginns nicht.
    Der naturwissenschaftlich orientierte Lem dagegen steht der Verzauberung näher als Amery, dessen

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