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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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nur eine einzige Form von Intelligenz. Falls die “Artificial Intelligence” und nicht irgendein Ersatz, der mehr oder weniger geschickt die Intelligenz imitiert, erschaffen wird, werden die Menschen bereits dadurch, ob sie es wollen oder nicht, als Konstrukteure der AI das Königreich der Mannigfaltigkeit beschreiten. Ein intelligentes System wird gehorsam sein - oder es wird nicht gehorsam sein wollen, weil es Befehle, Bitten, Suggestionen, Forderungen versteht und deswegen entweder gehorchen oder sich widersetzen kann. Falls es immer und bei allem zu gehorchen bereit ist, wird es dadurch demonstrieren, daß es willenlos ist und keine “eigene Meinung” haben kann. Die Tatsache, daß verschiedene, unterschiedlich ausgebildete und talentierte Menschen - ich spreche hier nicht von Idioten - die gleichen wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Texte unterschiedlich zusammenfassen oder interpretieren können und sie auf ihre Art für bedeutsam oder oberflächlich halten, durch sie gerührt werden oder sich über sie entrüsten, Empörung, zumindest Gleichgültigkeit oder Begeisterung empfinden, offenbart eine reale Vielheit der Verstandesarten, die wir akzeptieren müssen. Sollte dies nicht so sein, dann würden historisch, also diachron,    und    gegenwärtig, also synchron,
    verschiedene Denkstile in den    Religionen, in    der
    Philosophie    und    last but not    least sogar in    der
    Herstellung    von    mörderischen    Waffen oder    von
    rettenden Medizinen und Therapiemethoden nicht entstehen können. Beispielsweise wird sich kein Expertenprogramm aller (jetzt) existierenden eine neue Therapie für eine beliebige Stimmungslage für uns ausdenken, weil Programme überhaupt nicht denken.
    Und sollten sie zu denken beginnen, dann würden sie auf eine unterschiedliche Weise denken müssen. Anders gesagt:    eine künstliche Intelligenz zu
    erschaffen, heißt einen neuen Bereich der Freiheit, auch der kreativen, zu erschaffen.
    Die sogenannte “linguistische Performanz” bedeutet, daß kein Mensch, der sich einer Sprache zu bedienen weiß (der sie zu verstehen und zu sprechen vermag), die in seinem Gehirn entstandenen Gedanken auf eine ideell identische Weise artikulieren kann. Auf einer so kleinen Skala heißt “Performanz” einfach, daß wir einigermaßen frei sprechen und nicht nur das rezitieren, was wir auswendig gelernt haben. Auswendig spricht eine Grammophonplatte, ein Tonband oder eine Diskette. Wir können “das Bett des Gedankenstroms, das von Worten ausgekleidet ist”, verändern. Je besser jemand eine entsprechende Sprache kennt, desto freier ist er auch, sich anders zu artikulieren. In einer Fremdsprache sind wir stärker beschränkt. Worauf will ich durch dieses scheinbar überflüssige Gerede hinaus? Ich will damit sagen, daß wir uns, wenn wir aus den leblosen Geräten Intelligenz herausgeholt hätten, mit vielen Problemen konfrontiert sehen würden. Einige werde ich erwähnen.
    Heutzutage fehlt den Systemen der Datenübertragung die Selbstkontrolle. Den Modems ist es gleichgültig, ob sie in die ganze Netzwelt Bilder von Heiligen oder von nackten Hinterteilen, oder die Herstellungsformeln von Sprengmitteln übertragen. Ihnen ist es gleichgültig, und damit plagen wir uns gegenwärtig ab, weil Menschen die unangenehme Gewohnheit haben, an nur moralisch verbotenen oder bis zum Tod schädlichen Produkten Gefallen zu finden.
    Ich bitte jedoch zu berücksichtigen: Falls in den Netzen eine fliegende “künstliche Intelligenz” zum
    Vorschein käme, dann würde sich dadurch auch die Fähigkeit zeigen, die Information zu filtern, zu bremsen, auszusieben und zu zerstören, weil die Intelligenz, die mit dem Verstand stark verwandt ist, eine Zensur ausüben kann und muß, um Sperren gegen bestimmte Informationsarten aufzubauen. Und jetzt wird sich zeigen, daß es viele verschiedene Intelligenzen gibt, und daß es dadurch verschiedene Staatsformen, Religionen, Weltanschauungen oder Ansichten über Fertigkeiten des “Ausschaltens” oder der “Vernichtung” von SOLCHEN Informationen gibt, die sie mit einem Tabu belegen oder deren Übertragung an diese oder jene Empfänger nicht erwünscht wird. Gegenwärtig können beispielsweise Papa oder Mama, um ihre Kinder durch die etwa vom Fernsehen elektronisch übertragenen Bilder nicht zu gefährden, auf den Fernseher einen “elektronischen Maulkorb” nach dem Maßstab dessen aufsetzen, was

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