Im Informationszeitalter
nicht mehr.
Ich bitte aber zu bedenken, daß ich keinen Informationsweltkrieg voraussage, der an das vor noch nicht langer Zeit über die Menschheit schwebende Gespenst des Atomkrieges (“all out strategic exchange” - beendet möglicherweise durch die “Vergeltung der toten Hand”) erinnert. Ich denke eher, daß die Grenzen zwischen einem allgemein herrschenden Frieden und kriegerischen Auseinandersetzungen verschwimmen werden: Man wird nicht mehr wissen, ob gewisse “Störungen”, “Verfälschungen” oder “lokale Invasionen im Netz” noch eine Sabotage oder eine “Generalprobe” darstellen oder schon die ersten Schritte eines schwelenden Kriegskonflikts sind. Man muß hier die Möglichkeit einer stufenweisen Steigerung erkennen. Während man mit Nuklearwaffen entweder zuschlägt oder nicht, so entsteht hier die Situation einer “grauen”, also “unklaren” Zone der darauf folgenden Reaktionen und der dadurch sofort identifizierten oder als mehrdeutig erkannten Fehler.
Die ganze Kommunikationsdomäne wird immer mehr in den Bereich der Codes und Verschlüsselungen verwickelt, die “offene” oder “leere” Verschlüsselungen, d.h. sinnlose “Attrappe” oder Tarnung, sein können. Sie können vielschichtig sein, weil der gerade entschlüsselte Code einen anderen, “tieferen” Code verbergen kann. Das sich entwickelnde Netz ermöglicht auch den Verzicht auf die lineare Dimension der Nachrichten zugunsten der Daten, die in zweidimensionalen und unbewegten wie einer Fotografie oder in bewegten “Bildern” versteckt sein können. Es wird Laserhologramme geben, also virtuelle Phantome, in denen der richtige oder der die Information abfangende Empfänger mehr oder weniger und manchmal sogar gar nichts herausholen kann. Das hängt nicht mehr davon ab, ob er einen Schlüssel für das Knacken der Nachricht besitzt, sondern davon, wie er sich selbst im virtuellen Raum verhält. Falls man diese immer noch elementaren Möglichkeiten durch die spezialisierten Angriffs- und Abwehrkräfte der Militärs und Experten multipliziert, kann man leichter in meiner am Anfang dieses Essays zitierten SF-
Geschichte eine Sammlung der Chancen und labyrinthischen Kämpfe erkennen, von denen man sich eines mit ziemlicher Sicherheit sagen läßt, nämlich daß sie während des “Friedens” oder in dem durch die Experten diagnostizierten “Krieg” in aller Stille und vielleicht über längere Zeit hinweg ohne den Widerhall einer Explosion oder eines Schusses stattfinden werden.
Die informatische Paralyse des Gegners muß in dieser neuen Art der Minimaxspiele kein “optimaler” Gewinn sein. Es kann auch um die Übernahme seiner informatischen Macht und um das Eindringen in seine Ressourcen gehen. Was sich daraus für das “traditionelle Kampffeld” ergeben kann, läßt sich heute praktisch nicht mehr voraussehen, weil gegenwärtig so viele und möglicherweise geheime Innovationen in den selbstverständlich mit Computer ausgestatteten Labors und auf den Versuchsgeländen entstehen. Dabei handelt es sich nicht nur um Simulationen, denn nicht alles ist für die Simulation geeignet. Es hat sich, mit einem Wort, eine terra ignota informativa als Raum für Kämpfe eines neuen Typs potentiell geöffnet. Ob sie jemand betreten wird, läßt sich heute noch nicht sagen.
Geschrieben im Oktober 96
Der Infoterrorismus
Stanislaw Lem 21.04.1999
Die Grenzen zwischen einfachem und kryptomilitärischem Terrorismus verwischen sich
In einer Ausgabe des “FOREIGN AFFAIRS” des letzten Jahres ist ein Artikel von Walter Laqueur mit dem Titel “Postmodern Terrorism” erschienen. Der Verfasser leitete seine Ausführung über die neueste Art des Terrorismus mit einer kurzen Aufzählung einiger frühgeschichtlicher Gestalten ein. So schreibt er beispielsweise über die Assassinen, deren Aufgabe es war, die Kreuzritter zu morden. Wir in Polen hatten zur Revolutionszeit des 19. Jahrhunderts die “Dolchmänner”. Es geht mir hier jedoch nicht um die MOTIVATION der Terroristen in Aktion. Normalerweise unterscheidet man zwischen den eher politischen und weniger gewalttätigen Gruppierungen und den “eigentlichen” Profiterroristen. Zu letzteren gehören Organisationen wie die “ Rote Armee Fraktion”, die SINN FEIN, die baskische ETA, die arabische HAMAS und viele andere weniger bekannte oder praktisch schon “ vergessene” Gruppierungen (die italienische “Prima Linea” oder die französische “Action Directe”).
Die
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