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Im Innern des Wals

Im Innern des Wals

Titel: Im Innern des Wals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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zwei Tage anhalten, herrscht immer Wassermangel. An den Rändern der Felder hebt man schmale Kanäle, etwa 30 Inches tief, mit der Hacke aus, um die spärlichen, unterirdischen Rinnsale zu sammeln.
    Jeden Nachmittag zieht eine Kolonne uralter Frauen unten an meinem Haus vorbei, jede mit einem großen Bündel Brennholz beladen. Alle machten den Eindruck von Mumien, eine Folge
    ihres Alters und der sengenden Sonne, und alle waren winzig. In primitiven Ländern scheint es die Regel zu sein, daß Frauen nach Erreichung eines bestimmten Alters zur Größe von
    Kindern zusammenschrumpfen.
    Eines Tages schleppte sich eins dieser alten, armseligen
    Geschöpfe, nicht größer als vier Fuß und von einer Last
    Brennholz fast erdrückt, mühsam an mir vorbei. Ich hielt sie an und drückte ihr ein Fünf-Sou-Stück in die Hand. Sie reagierte mit einem lauten Ausruf, fast einem Schrei, in dem Dankbarkeit, mehr aber noch Überraschung zum Ausdruck kamen. In ihren
    Augen war es, wie ich glaube, beinahe so etwas wie die
    Verletzung eines Naturgesetzes, daß ich von ihrem
    Vorhandensein Kenntnis genommen hatte. Sie hatte sich mit
    ihrer Lage als alte Frau abgefunden, das heißt als Lasttier. Wenn eine Familie über Land reist, ist es völlig in der Ordnung, daß der Vater und der älteste Sohn auf einem Esel voranreiten, während die Frau mit dem gesamten Gepäck auf dem Rücken zu Fuß hinterhergeht.
    Das Sonderbarste an dieser Bevölkerung bleibt ihre
    Unsichtbarkeit. Wochenlang, immer um die gleiche Stunde,
    -81-

    waren alte Frauen mit Brennholz an meinem Haus
    vorübergehumpelt. Meine Augen hatten sie rein optisch
    wahrgenommen, aber ich muß gestehen, daß ich sie nie gesehen hatte. Das an mir vorbeiwandernde Brennholz hatte ich gesehen, aber das war auch alles. Erst als ich einmal zufällig hinter ihnen herging, lenkte das Auf und Ab der Holzbündel meine
    Aufmerksamkeit auf die menschlichen Wesen darunter. Zum
    erstenmal bemerkte ich die kleinen, erdfarbenen Gestalten; Knochengerüste, von einer ledernen Haut überzogen und
    zusammengekrümmt unter ihrer erdrückenden Last. Dagegen
    waren noch nicht fünf Minuten vergangen, seit ich den Fuß auf marokkanischen Boden gesetzt hatte, als mir schon die kleinen Esel auffielen, die unter ihrer Bürde fast zusammenbrachen, was mich zutiefst empörte. Es steht außer Frage, daß die
    marokkanischen Esel in der abscheulichsten Weise mißhandelt werden. Dabei sind sie kaum größer als Bernhardiner-Hunde.
    Ihnen werden Lasten aufgeladen, die man in der Britischen
    Armee nicht einmal einem ausgewachsenen Maultier zumuten
    würde. Einem solchen Esel wird oft wochenlang der Packsattel nicht vom Rücken genommen. Es gibt kein Geschöpf auf Erden, das williger wäre, und das rührt einen besonders an diesem Tier.
    Es folgt seinem Herrn wie ein Hund und braucht weder
    Zaumzeug noch Halfter. Nach etwa einem Dutzend Jahren
    unermüdlicher Arbeit bricht es eines Tages tot zusammen,
    worauf sein Herr es in einen Graben stößt und die Hunde im Dorf ihm die Eingeweide herausreißen, noch ehe es erkaltet ist.
    Solche Dinge bringen einem das Blut zum Sieden, was
    gegenüber dem Elend menschlicher Wesen im allgemeinen nicht der Fall ist. Das ist nicht als Anklage gemeint, ich stelle lediglich eine Tatsache fest. Jeder wird die Eselchen mit ihrem geschundenen Rücken bemitleiden - um eine alte Frau unter der Last ihres Brennholzbündels auch nur zu bemerken, dazu bedarf es schon fast eines Unfalls.

    -82-

    Als die Störche nach Norden zogen, zogen Kolonnen von
    Negern nach Süden, endlose Reihen staubbedeckter
    Infanteristen, Batterien von Geschützen auf Schwenklafetten und dann wieder Infanterie, insgesamt etwa vier- bis fünftausend Mann, ein Zug, der sich unter dem Geratter eiserner Räder und Stiefelgetrampel die Straße aufwärts wand.
    Es waren Senegalesen, die schwärzesten unter den Negern
    Afrikas, so schwarz, daß es manchmal schwer ist zu sehen, wo bei ihnen die Haut im Genick aufhört und die Haare anfangen.
    Ihre wunderbaren Körper staken in Khaki-Uniformen, die sie bis zu den Knöcheln verhüllten, die Füße waren in Stiefel
    eingezwängt, die wie Holzkloben aussahen, und ihre Stahlhelme schienen alle um ein paar Nummern zu klein. Es war sehr heiß, und die Leute hatten bereits einen langen Marsch hinter sich. Sie schleppten sich unter dem Gewicht ihres Marschgepäcks nur
    mühsam vorwärts, und die auffallend sensiblen schwarzen
    Gesic hter glänzten vor Schweiß.
    Im Vorbeimarsch

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