Im Innern des Wals
gelungen ist, die Krise zu überleben, weil sie teils aus echten Künstlern, teils aus echten Gaunern besteht. Die verkannten Genies, die Paranoiker, die immer im Begriff sind, den Roman zu schreiben, der aus Proust einen zerbeulten Hut machen wird, finden sich hier, sind aber nur in den ziemlich seltenen Augenblicken genial, in denen sie nicht gerade Jagd auf die nächste Mahlzeit machen.
Zum größten Teil ist es eine Geschichte von verwanzten
Zimmern in Arbeiterquartieren, Auseinandersetzungen,
Trinkgelagen, Puffs, russischen Emigranten, Betteln,
Schwindeln und Gelegenheitsarbeit. Die ganze Atmosphäre der Armenviertel von Paris, wie sie ein Ausländer sieht - die Boulevards mit ihrem Kopfsteinpflaster, der saure Geruch von Abfällen, die Bistros mit ihren fettigen Zinktheken und
ausgetretenen Ziegelböden, das grüne Wasser der Seine, die blauen Uniformen der Republikanischen Garde, die verlotterten gußeisernen Pissoirs, der besondere süßliche Geruch der
Untergrundbahnhöfe, die halbierten Zigaretten, die Tauben im Jardin du Luxembourg, es ist alles da oder die Stimmung, ein
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Hauch von alledem.
Auf den ersten Blick kein eben vielversprechender Stoff. Als Wendekreis des Krebses erschien, marschierten die Italiener in Abessinien ein und waren Hitlers Konzentrationslager bis zum Bersten voll. Die Brennpunkte des Weltgeschehens waren Rom, Moskau und Berlin. Es schien nicht der geeignete Augenblick, um einen Roman von hervorragender Bedeutung über
amerikanische Bummler, Bettler und Trunkenbolde im Quartier Latin zu schreiben. Natürlich ist ein Romancier nicht
verpflichtet, über zeitgeschichtliche Ereignisse zu berichten, aber ein Romancier, der sie übersieht, hat gewöhnlich entweder die Füße nicht auf dem Boden oder er ist einfach ein Idiot.
Bestimmt würde jeder, der nur das Hauptthema kennenlernt, den Wendekreis des Krebses für ein frivoles Überbleibsel der zwanziger Jahre halten. In Wahrheit stellte jeder, der es gelesen hatte, sofort fest, daß es nichts dergleichen, sondern ein sehr bemerkenswertes Buch sei. Wie oder warum bemerkenswert?
Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, und es ist besser, mit der Beschreibung der Eindrücke zu beginnen, die Wendekreis des Krebses auf mich gemacht hat.
Als ich das Buch zum erstenmal aufschlug und sah, daß es
von Wörtern wimmelte, die nicht für den Druck geeignet sind, war meine sofortige Reaktion, mich nicht davon beeindrucken zu lassen. Ich glaube, den meisten Lesern würde es so ergehen.
Dabei schien sich nach einer gewissen Zeit die Atmosphäre des Buches neben unzähligen Einzelheiten auf eigentümliche Weise in meinem Gedächtnis festgesetzt zu haben. Ein Jahr später erschien Millers zweites Buch Schwarzer Frühling (1936). Zu dieser Zeit war Wendekreis des Krebses mir viel gegenwärtiger als das erstemal. Mein erster Eindruck war, daß Schwarzer Frühling schwächer sei, und tatsächlich hat es nicht die Geschlossenheit des Erstlings. Nach einem weiteren Jahr hatten ebenfalls viele Passagen aus Schwarzer Frühling in meinem Gedächtnis Wurzeln geschlagen. Offensichtlich gehören beide
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Bücher zu denen, die einen Nachhall hinterlassen, Bücher, die sich »ihre eigene Welt schaffen«, wie man sagt. Das müssen nicht unbedingt gute Bücher sein, es können gute schlechte Bücher wie Raffles (von E. W. Hornung, ersch. 1901) oder die Erzählungen von Sherlock Holmes oder perverse und morbide Bücher wie Withering Heights (Sturmhöhe, von Emily Bronte, ersch. 1847) oder The House with the Green Shutters (von George Douglas, ersch. 1901) sein. Dann aber erscheint hin und wieder ein Roman, der einem eine neue Welt erschließt, nicht, indem er einem enthüllt, was neu, sondern was vertraut ist. Das wahrhaft Erstaunliche an Ulysses zum Beispiel ist, daß es ein ganz alltäglicher Stoff ist. Natürlich enthält es mehr als nur das, denn Joyce hat etwas von einem Dichter und ist zugleich ein Pedant von gigantischem Ausmaß, aber seine eigentliche
Leistung besteht darin, daß er uns Vertrautes zu Papier bringt.
Er hat es gewagt - denn es ist ebensosehr eine Frage der
Kühnheit wie der Technik -, die Absurditäten unseres innersten Denkens bloßzulegen, und dabei entdeckte er ein Amerika, das jeder vor der Nase hatte, eine Welt, in der jeder seit seiner Kindheit gelebt hatte, einen Stoff, den man für unbeschreiblich hielt und den zu beschreiben Joyce doch gelungen ist. Die
Wirkung war, die Einsamkeit, in der jeder Mensch
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