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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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durchführen zu können.
    Der Generalmajor brachte vorsichtige Einwendungen vor. Die Gruppe Niškov bediene sich so grausamer Methoden, daß diese Männer nie mit der Sowjetunion in Verbindung gebracht werden dürften. Es seien jugoslawische Gangster, die im harmlosesten Fall ihre Opfer zerstückelten und in Plastiksäcke steckten. Das erschiene doch im Fall Gennadij Alexandrowitsch nicht gerade als passend. Nach Ansicht des Generalmajors war qualifiziertes militärisches Personal für diese Aufgabe besser geeignet. Wenn man diese Männer erwische, sei es den Preis wert, und wer Gennadij Alexandrowitsch auch ermorde, Verzeihung, hinrichte, die Schuld werde selbstverständlich der Sowjetunion zufallen. Das sei jedoch kein Grund zu moralisieren. Man werde verstehen, daß die Spielregeln nun mal so seien. Folglich also lieber zuverlässiges militärisches Personal als Gangster eines so finsteren Kalibers, die bei einem öffentlichen westlichen Strafverfahren außerordentlich peinliches Aufsehen erregen würden.
    Jurij Tschiwartschew wünschte in der kitzligen Situation, in der sie sich jetzt befanden, keine großen Auseinandersetzungen. Er stellte fest, der Herr Generalmajor habe kluge Ansichten dargelegt, und ging dann schnell zu der Frage über, die im Augenblick am dringlichsten war: Der Ortung Gennadij Alexandrowitschs.
    Alle drei Männer im Raum waren sich einig, daß die schwedische Sicherheitspolizei die beste denkbare Erkenntnisquelle war. Diese würde zwar den Auftrag erhalten, den Ort der Vernehmungen zu sichern, und angesichts der schwedischen Dienst und Überstundenregelungen mit Schichtwechseln und anderem war davon auszugehen, daß schon bald eine recht große Zahl von Personen beim Sicherheitsdienst den Aufenthaltsort Gennadij Alexandrowitschs kennen würde, selbst wenn sie nicht wußten, wer da verhört wurde und weshalb. Da das GRU bei der schwedischen Sicherheitspolizei zwei ziemlich gut plazierte Informanten besaß, war dies vermutlich der am leichtesten gangbare Weg.
    Eine andere Alternative bestand darin, über Freund Hamilton weiterzukommen. Hamilton würde sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch weiterhin in der Nähe von Gennadij Alexandrowitsch aufhalten, einmal, weil er ja schon Bestandteil des Unternehmens war und wußte, worum es ging, zum andern im Hinblick auf Hamiltons in diesem Zusammenhang nicht ganz unwichtige Talente.
    Also: Sofortige Aktivierung der Informanten bei der schwedischen Sicherheitspolizei, sofortige Aktivierung der Gruppe Niškov, Anfrage bei der Zentrale, ob es möglich sei, Spezialisten für nasse Jobs anzufordern, sowie eine sofortige Fahndung nach Hamilton.
    Damit entließ Jurij Tschiwartschew seine Untergebenen.
    Als er wieder allein war, drehte er ein paar Runden in seinem geräumigen Dienstzimmer und blieb wie gewöhnlich am Fenster mit der Aussicht auf die blaue Leuchtreklame der rechtsgerichteten Zeitung stehen. Hinter dem ziegelroten Bau des Svenska Dagbladet war der Himmel hellrot und violett wie manchmal im Norden, wenn der Frühling sehr zeitig begann. Jurij Tschiwartschew stammte aus einer Stadt in Nordsibirien, in der er allerdings seit über zehn Jahren nicht mehr gewesen war. Der rote Frühlingshimmel brachte ihn dazu, den Faden zu verlieren und sich in Erinnerungen zu ergehen.
    Aber die Situation war viel zu ernst für ein solches Sichgehenlassen. Er ging zu seinem Schreibtisch zurück und betrachtete die drei Bilder, die man ihm inzwischen von Carl Gustaf Gilbert Hamilton gebracht hatte, ein Schulfoto aus der Jugendzeit, ein Führerscheinfoto und dann das Paßbild.
    Tschiwartschew nahm das deutlichste Bild in die Hand und betrachtete es genau. Er empfand keinerlei Haß auf seinen jungen Kollegen, trotz der entsetzlichen Komplikationen, zu denen Hamiltons Handeln aus sowjetischer Sicht geführt hatte. Ein verdammt guter Offizier, der ebensogut ein Landsmann hätte sein können. Das war alles. Und vermutlich würden die armen Beamten, die den Auftrag erhielten, Hamilton zu verfolgen, auf mancherlei Schwierigkeiten stoßen. Nein, das war wohl der schwierigste Weg zum Versteck von Gennadij Alexandrowitsch. Der Weg über die Informanten bei der schwedischen Sicherheitspolizei schien zehnmal sicherer zu sein.
    Jurij Tschiwartschew nahm die Bilder, ging zu seinem Panzerschrank und legte sie zwischen die Deckel von Korvettenkapitän Hamiltons Akte. Dann rief er seinen Chiffriertechniker zu sich, um einige an Moskau gerichtete Fragen zu formulieren, die das

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