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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Fahrkarte in die USA nichts bezahlen. Möglicherweise war dies eine etwas übertriebene Freundlichkeit. Der Botschafter bereute schon sein Entgegenkommen, doch er fand bald heraus, daß der Russe sich keineswegs hatte überzeugen lassen.
    »Sie verstehen, Herr Botschafter, wir haben es doch mit bestimmten militärischen Realitäten zu tun. Der Wert meines Wissens ist zu groß, als daß solche Gesetze irgendwelche Bedeutung haben könnten. Entweder ich kooperiere und werde zum Verräter, um dann für den Rest meines Lebens irgendwo in den USA zu leben, oder man schickt mich in mein Vaterland zurück, wo man mich erschießt. So sieht’s aus.«
    »Haben Sie noch andere Motive als die rein privaten, von denen Sie erzählten?«
    »Ja. Aber über die kann ich nicht mit Ihnen sprechen.«
    »Mit wem können Sie es?«
    »Mit Vertretern der militärischen Führung Schwedens.«
    »Weshalb nicht mit amerikanischen Militärs?«
    »Die werden mich wohl auch noch in die Klauen kriegen. Das, was ich zu sagen habe, meine Fahrkarte also, geht jedoch Schweden mehr an als die Yankees. Das ist für mich nicht nur ein gefühlsmäßiger Unterschied, falls Sie verstehen?«
    »Doch, ich glaube, ich verstehe. Sie wollen aber von Schweden aus in die USA weiterreisen?«
    »Ja, das trifft zu.«
    »Warum denn? Weil Ihre Familie unbedingt in die USA will?«
    »Nein, nicht allein deswegen. Aber Schweden liegt zu nahe an der Sowjetunion.«
    »Sie meinen, das Heimweh wäre aus der Nähe schwerer zu ertragen?«
    Der Russe ließ ein überraschendes, polterndes Gelächter hören, und dem Botschafter ging auf, daß er etwas Dummes gesagt haben mußte.
    »Nein«, erwiderte der Russe, nachdem er sich von seinem Lachen erholt hatte, »die Sehnsucht nach dem Vaterland ist in Vermont, wo dieser Solschenizyn wohnt, vermutlich genauso groß wie in Stockholm oder auf Gåtland. Das ist nicht das Problem.«
    »Gåtland?«
    »Ja, diese große Insel in der Ostsee zwischen Kaliningrad und Ihrem Festland.«
    »Ach so, Gotland, ja, Verzeihung. Aber was meinen Sie?«
    »Daß wir das Vaterland nicht verlassen wollen, um gleich darauf zu sterben. Dann hätte das Ganze ja kaum Sinn, oder? In den USA kann man uns schützen, in Schweden würden uns KGB oder GRU in ein paar Wochen oder schlimmstenfalls schon nach ein paar Tagen finden. Verstehen Sie jetzt?«
    »Ja, ich glaube schon. Wann wollen Sie Ihren Brief an das schwedische Militär zu Papier bringen?«
    »Das ist schon geschehen. Er liegt hier.«
    Koskow zog die Schublade auf und überreichte Rickfors einen versiegelten Umschlag.
    »Hier steht, was Sie sagen wollen? In russischer Sprache?«
    »Ja, hier steht, was ich zu sagen habe, damit sich Ihre Regierung schnell entschließt, unser Problem zu lösen. Ich möchte Sie bitten, den Brief nicht zu öffnen und nicht zu lesen, da er große militärische Geheimnisse enthält. Verstehen Sie?«
    »Ja, das möchte ich mir gern ersparen. Außerdem bin ich nicht sicher, ob ich alles verstehen würde. Was glauben Sie?«
    »Nun ja, einen Teil würden Sie wohl nicht verstehen. Doch anderes würden Sie dafür um so besser verstehen, Herr Botschafter. Es würde Ihnen jedoch den Nachtschlaf rauben.«
    Bei dieser letzten Äußerung leuchtete das Gesicht des Russen plötzlich in einem breiten Wolfsgrinsen auf. Botschafter Erland Rickfors nahm den Umschlag, entschuldigte sich und ging in sein Schlafzimmer, in dem ein Panzerschrank stand. Die Flaschen ließ er bewußt bei seinem Gast stehen.
    Bevor Rickfors den Umschlag in den Panzerschrank legte, wog er ihn in der Hand. Dem Gewicht nach zu schließen waren es etwa zehn Blatt vom Briefpapier der Botschaft. Zehn Blatt, die von mäßigem Interesse sein mochten, von mittlerem Wert oder schlimmstenfalls von unendlich großer Bedeutung.
    Zum Glück ist das nicht mein Problem, dachte der Botschafter, als er den Brief einschloß.
    Carl war drei Stunden lang die Big Sur hinuntergefahren, die Küstenstraße in südlicher Richtung nach Santa Barbara. Hier und da lag dichter Nebel über der heideähnlichen Landschaft mit ihren in roten Farben wechselnden Abhängen zum Meer. Das Rote war eine Art Heidekraut. Das Meer war grau und stürmisch, und es herrschte kaum Verkehr.
    Nach und nach hatte Carl die Geschwindigkeit gesteigert, da in der baumlosen, flachen und unbewohnten Landschaft kaum die Gefahr bestand, daß er einen Streifenwagen übersah. Außerdem war er kein Universitätsstudent mehr, bei dem zwanzig oder fünfzig Dollar mehr oder weniger

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