Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
sowjetischen Geschwader Alexandria anlief.
    Sie hätten ihn vor eine klare Entscheidung gestellt.
    Von Bulgarien wollten sie per Schiff über die Grenze in die Türkei - das war durchaus nicht unmöglich, wenn man genügend West-Devisen besaß, mit denen man jeden x-beliebigen Fischer bezahlen konnte.
    Damit habe er die Wahl gehabt, fuhr der Russe fort, zu bleiben, zu einem sicheren Abschied vom Militär zurückzukehren oder zu vielleicht noch schlimmeren Folgen, oder aber die Situation zu nutzen, solange er noch in Ägypten war, das heute ja praktisch ein westlicher Staat sei. Sie hätten in der Angelegenheit gestritten, doch die Familie habe nicht nachgegeben, zum Teil aus Gründen, die er jetzt nicht darlegen könne.
    Seine Familie habe ihm eine Telefonnummer in der Türkei gegeben, die er vom Sheraton-Hotel in Alexandria zur Kontrolle angerufen habe. Er habe mit allen dreien gesprochen. Sie hielten sich nachweislich in der Türkei auf, und das führte sie garantiert weiter zu ihrem Endziel USA.
    Und jetzt wolle er ihnen also nachfolgen, nachdem er einige Zeit bei seinen schwedischen Kollegen zugebracht habe.
    Der Botschafter schwieg zunächst, als der andere geendet hatte. Erland Rickfors hatte das Gefühl, daß der Bericht sowohl über eine gewisse Logik verfügte als auch große Lücken aufwies. Der Botschafter war noch nie in einem Ostblockland stationiert gewesen und war sich nicht sicher, ob Verbrechen in der Familie sogar einen hochrangigen Soldaten treffen konnten. Unglaubhaft klang es jedoch nicht.
    Aber konnte es denn ein so totaler Verrat sein, nur sein Land verlassen zu wollen? War der Verrat am »Vaterland« nicht erst dann vollendet, wenn man militärische Geheimnisse preisgab?
    Außerdem war es möglich, daß bloße Desertion aus dem Militärdienst nicht unbedingt als ein Verbrechen galt, das zu einem politischen Asyl berechtigte. Selbst ein westdeutscher Admiral hätte in vergleichbarer Situation unzweifelhaft bestimmte Folgen zu tragen - ohne daß man ihm deswegen in Schweden politisches Asyl gewähren könnte. Auf Botschafterebene war das zwar nicht zu entscheiden, aber hatte der Russe wirklich begriffen, daß der eigentliche Verrat eine Notwendigkeit war, ein Preis, den er bezahlen mußte?
    »Aber Herr Vizeadmiral, habe ich Sie recht verstanden, wenn ich sage, daß Sie die Absicht haben, den schwedischen Streitkräften militärisch wertvolle Informationen zu liefern?«
    »Ja, leider ist es so.«
    »Warum? Ich meine, wenn Sie nun aus den von Ihnen angegebenen Gründen mit Ihrer Familie zusammengeführt werden wollen, könnte man das Ganze doch als eine humanitäre Frage sehen und nicht unbedingt als, sagen wir, Informationsaustausch?«
    »Nein, Herr Botschafter, so einfach ist es nicht. Ich muß bezahlen. Ich muß bezahlen…«
    Er machte eine Grimasse des Abscheus, bevor er fortfuhr.
    »Einmal muß ich für die Zukunft meiner Familie in den USA bezahlen. Zum andern werden meine Kollegen in Ihrem Land mich zwingen, zu bezahlen. So ist das nun mal in dieser Welt.«
    »Ich weiß zwar nicht, was für Vorstellungen Sie von meinem Land haben, Herr Vizeadmiral, aber rein gesetzlich können wir Sie zu gar nichts zwingen. Wir können Ihnen zwar Asyl gewähren, Sie jedoch nicht zwingen, uns militärische Informationen zu liefern. Der eine oder andere Ihrer schwedischen Kollegen würde es vielleicht mißbilligen, daß ich Ihnen so etwas sage, aber so ist es jedenfalls. Sie können aus freiem Willen tun und sagen, was Sie wollen, wenn Sie erst mal in Schweden sind. Unabhängig davon, wie Sie dort hinkommen. Ich möchte, daß Sie mich in diesem Punkt ganz klar verstehen, und…«
    Der Botschafter verstummte, als er den Russen lachen sah. Koskow machte eine abwehrende Geste, um der Beschreibung der westlichen Demokratie ein Ende zu machen.
    »Nein, Herr Botschafter, so verhält es sich nicht. Das ist nicht wahr. Ich zweifle nicht an Ihrer Aufrichtigkeit, aber Sie scheinen mich nicht zu verstehen«, entgegnete der Russe und streckte sich nach der Wodkaflasche, während er gleichzeitig fragend die Augenbrauen hob.
    Der Botschafter nickte zustimmend, als der Russe sich Wodka eingoß, und versank dann in Grübeleien, während er an seinem Whisky nippte. Die Situation war vollkommen absurd. Hier saß er mitten in Kairo in einem kleinen schwedischen Zimmer mit Carl-Malmsten-Möbeln mit einem hochrangigen sowjetischen Überläufer und versuchte diesen zu überzeugen, er solle dem schwedischen Militär für die

Weitere Kostenlose Bücher