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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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verschweigen. Verstanden?«
    »Ja, Sir!«
    »Nun?«
    »Ich habe überhaupt keine Freundin, Sir.«
    »Wieso denn nicht? Mit dir scheint doch alles in Ordnung zu sein.«
    »Das ist es auch, Sir.«
    »Also?«
    »Ich bin nun mal nicht so veranlagt, Sir.«
    »Du lieber Himmel! Willst du etwa sagen, du bist schwul?«
    »Ich verwende diesen Ausdruck nicht, Sir. Im übrigen ist die Antwort ja.«
    »Wissen deine Vorgesetzten… wissen die Leute, die dich hierher geschickt haben, von diesem Sachverhalt?«
    »Nein, Sir.«
    »Wie ist das denn möglich?«
    »Sie haben mich nicht gefragt, Sir.«
    »Und wie erklärst du dir das?«
    »Keine Ahnung. Vermutlich werden persönliche Neigungen dieser Art in unserem Land nicht mehr als so entscheidend angesehen… Sir.«
    Diese letzte Replik enthielt die schwache Andeutung, daß man in Carls vermeintlicher Heimat USA möglicherweise eine andere Auffassung vertrat. Carl war sprachlos und mußte sich zusammennehmen, um das Gespräch in normalem amerikanischem Gesprächston fortzusetzen.
    »Very well, Sergeant. Dann formuliere ich die Frage anders. Gibt es so etwas wie einen oder mehrere… so etwas wie einen ständigen männlichen Begleiter?«
    »Nein, Sir.«
    »Gibt es feste Verbindungen, Sergeant… oder sagen wir regelmäßige Verbindungen?« - »Ja, Sir. Die Verbindung ist jedoch nicht so, daß sie private oder berufliche Vertraulichkeiten einschließt.«
    Carl bedauerte plötzlich, daß er ihre gemeinsame Muttersprache nicht verwenden konnte. In dem Moment fiel ihm ein, daß gerade das zu den Dingen gehörte, die ihn an dem athletischen Åke Stålhandske verblüfften, denn dieser sprach ein Englisch mit einem höchst ungewöhnlichen Akzent. Joar Lundwall hatte einen kaum wahrnehmbaren schwedischen Akzent, der möglicherweise nur für den erkennbar war, der um seine Herkunft wußte.
    Carl wollte von dem Gesprächsthema, das ihn in Verlegenheit brachte, wegkommen.
    »Bekommt ihr noch immer diese Geschichte von dem jungen japanischen Militärattaché in Moskau zu hören?« wollte er wissen.
    Joar Lundwalls Gesicht leuchtete zum erstenmal während des Gesprächs auf. Die Geschichte, die jedenfalls in ihren Grundzügen den Tatsachen entsprach, betraf einen jungen japanischen Militärattache, der Anfang der sechziger Jahre nach Moskau gekommen war.
    Vom Standpunkt des GRU aus war interessant, daß die Ehefrau dieses Militärattachés in Tokio geblieben war. Folglich hatte man dem ahnungslosen Hauptmann eine ganze Horde von Schwalben auf den Hals geschickt. Schwalbe ist das interne Slangwort von GRU und KGB für Prostituierte oder Halbprostituierte im Mitarbeiterstab des Nachrichtendienstes. Während der Japaner nach Herzenslust kopulierte, manchmal mit mehreren Schwalben gleichzeitig, standen die Leute des GRU hinter Hotelspiegeln und ähnlichem und filmten, was das Zeug hielt. Am Ende kam dann natürlich der entscheidende Augenblick, in dem zwei GRU- Männer an ihr Opfer herantraten, als es einmal allein im Restaurant saß. Sie stellten sich ohne Umschweife als GRU-Angehörige vor und legten dem verblüfften jungen Soldaten ein Konvolut voll pornografischer Fotos vor. Dann kamen sie sofort zur Sache und deuteten an, sie sähen sich unter Umständen gezwungen, so undelikat zu sein, diese Bilder an die Ehefrau in Tokio zu schicken, es sei denn…
    Sie predigten jedoch, nun ja, wenn nicht tauben, so in diesem Zusammenhang doch unschuldsvollen Ohren. Der Japaner, der inzwischen eine Reihe von Bildern studiert hatte, war über alle Maßen entzückt und fragte aufgeräumt, ob er ein paar Kopien bekommen könnte. Um sie nämlich seiner Frau zu schicken:
    »Damit sie nicht glaubt, ich wäle plötzlich impotent gewolden. Sie wild sehl stolz sein, wenn sie das hiel sieht.«
    Die Moral von der Geschichte, jedenfalls aus dem Blickwinkel der Nachrichtendienste, bestand also darin, daß sexuell auffälliges Verhalten nicht immer als abweichend angesehen wurde und Erpressung nach alter russischer Art keine durchgängig sichere Methode mehr war.
    »Und außerdem, Sir, möchte ich an den Zwischenfall neulich mit dem amerikanischen Botschafter in Bukarest erinnern.«
    »Erzähl«, befahl Carl kurz, ohne zu verraten, daß er nichts von der Sache wußte.
    »Well, Sir. Als die Frau des Botschafters mit Leuten des örtlichen Sicherheitsdienstes herumpimperte, wurde sie dabei natürlich fotografiert. Dann drohte man dem Botschafter, die Bilder ans State Department zu schicken, wenn er nicht… Doch er weigerte

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