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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Raum stehengeblieben. Er versuchte Haltung anzunehmen und sich irgendwie zur Stelle zu melden, wurde jedoch vom Oberbefehlshaber unterbrochen, der ihm entgegenging und ihm die Hand gab. Die beiden anderen Männer gaben ihm ebenfalls die Hand, dann durfte er sich in einen der Ledersessel setzen. Die drei Männer sahen sehr angespannt aus, und während der Oberbefehlshaber sich die Hosenbeine zurechtzupfte, überkam Carl ein leichtes Schwindelgefühl, das er jedoch schnell bezwang.
    »Ich kann mir vorstellen, daß dich dieses Arrangement überrascht, Hamilton«, lächelte der Oberbefehlshaber angestrengt. »Aber wir hatten gute Gründe, dich kommen zu lassen.«
    »Ja, ich verstehe«, erwiderte Carl leise und blickte zu Boden. »Kommen lassen« war der richtige Ausdruck; gebeten hatten sie ihn wahrhaftig nicht. So viele Generalssterne und ein Chef des Nachrichtendienstes baten keinen Korvettenkapitän zum Gespräch.
    »Wir befinden uns in einer sehr unangenehmen Situation, Hamilton, die auch dich in allerhöchstem Maße betrifft.«
    »Worum geht es?« fragte Carl fast aggressiv, während er sich gleichzeitig zwang, dem Oberbefehlshaber mit einem vollkommen festen Blick in die Augen zu sehen. Er war ein kleiner, zartgliedriger Mann mit einer dicken Brille und einem Kugelbauch.
    »Erzähl du«, befahl der Oberbefehlshaber dem Chef des OP 5. Kapitän zur See Samuel Ulfsson zog nervös eine Ultima Blend aus der Schachtel und zündete sie an, bevor er zu sprechen begann. Es war mucksmäuschenstill im Zimmer, als das Einwegfeuerzeug mehrmals versagte, bis es endlich Feuer gab.
    »Also, die Lage ist folgende…«, begann der Kapitän, während er gierig den Rauch einsog, »daß wir in unserer Botschaft in Kairo einen Überläufer sitzen haben, und es geht darum, wie wir ihn hierherbekommen. Außerdem sitzt da unten ein Holzkopf von Botschafter, der nichts Besseres zu tun hatte, als zu den Ägyptern zu laufen und alles auszuplaudern, so daß der Vorgang in gewissem Umfang bekannt ist. Die Ägypter haben erklärt, wir dürften als Begleitung nur einen Beamten schicken, und wie du sicher schon begriffen hast, bist du dieser Beamte. Wir müssen den Auftrag jedoch aus rein formalen Gründen als freiwillig betrachten.«
    »Wieso das?« unterbrach Carl.
    »Weil er mit einigen Risiken verbunden ist. Außerdem ist es möglich, daß du dabei irgendwie exponiert wirst, was im Hinblick auf deine dienstliche Stellung nicht so glücklich wäre.«
    »Wer ist der Überläufer?«
    »Wenn du entschuldigst, aber darauf komme ich später noch zurück. Wir alten Onkels hier oben sprechen immer nur einer gleichzeitig, eine alte Gewohnheit, wenn du erlaubst.«
    »Ich bitte sehr um Entschuldigung, Herr Kapitän.«
    »Schon gut. Der fragliche Mann ist Vizeadmiral Gennadij Alexandrowitsch Koskow, der beim GRU eine sehr wichtige Stellung bekleidet und zudem stellvertretender Wehrbereichskommandeur in Kaliningrad und Chef der gesamten Diversionstätigkeit ist. Ich gehe davon aus, daß dir klar ist, wovon ich spreche?«
    »Durchaus.«
    »Wie beurteilst du die Lage? Falls die Russen wissen, daß er in unserer Botschaft in Kairo sitzt und nach Schweden will… Wir haben Grund zu hoffen, daß sie es noch nicht wissen, aber ich sage falls… Welche Maßnahmen werden sie wohl ergreifen? Du kennst ihre operativen Muster ja besser als jeder von uns hier im Raum.«
    Carl lachte auf. Die Situation kam ihm vollständig unwirklich vor. Doch der Oberbefehlshaber war tatsächlich der Oberbefehlshaber, und der Generalstabschef war tatsächlich der Generalstabschef, und es ließ sich nicht leugnen, daß sein eigener höchster Vorgesetzter tatsächlich zu ihm sprach.
    »Erstens«, begann Carl zögernd, »wird ein GRU-Offizier unweigerlich zum Tode verurteilt, wenn er sich in den Westen absetzt. Zweitens scheint gerade dieser Überläufer von einem solchen Kaliber zu sein, daß die andere Seite das Urteil jederzeit und überall vollstrecken kann. Natürlich möglichst, bevor er bei uns oder den Amerikanern angekommen ist. Warum ist er denn nicht zu denen übergelaufen?«
    »Das wissen wir nicht. Doch zunächst lautet die Frage: Wenn die Russen nicht wissen, daß wir den Burschen haben, wie stehen dann unsere Chancen, ihn aus Kairo herauszubekommen? Was meinst du?«
    »Das kann ich nicht beantworten. Wir sollten zunächst vielleicht mit ein paar Reedereien sprechen und einige andere Möglichkeiten prüfen. Zunächst geht es darum, ihn aus der Botschaft herauszubekommen,

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