Im Interesse der Nation
dann nach Suez und an Bord eines Schiffes. Selbst wenn die Russen nicht wissen, daß wir ihn haben, sehe ich doch einige Risiken. Aber die wissen doch sicherlich, daß er sich in Kairo aufhält?«
»Ja«, erwiderte der Oberbefehlshaber, der das Gespräch plötzlich an sich reißen wollte. »Sie wissen, daß er sich in Kairo aufhält, und nehmen vermutlich an, daß er in der amerikanischen Botschaft sitzt. Aber was wird wohl passieren, wenn sie erfahren, daß wir ihn haben?«
»Dann werden sie Mittel und Wege finden, ihn ohne jede Rücksicht auf diplomatische Verwicklungen hinzurichten. Ich kann mir sogar vorstellen, daß sie sich mit Gewalt Zutritt zur Botschaft verschaffen und ihn dort töten. Ein Vizeadmiral und hohes Tier des GRU bedeutet für sie einen unerhörten Verlust. Nun ja, das hängt ein bißchen davon ab, womit der Bursche befaßt ist, aber wenn er, wie ich hier gehört habe, beim taktischen Nachrichtendienst ist, lohnt es für sie jede Anstrengung, ihn aus dem Weg zu räumen und zu töten.«
»Also«, sagte der Oberbefehlshaber abschließend. »Wir können nur einen Mann schicken. Übernimmst du die Sache?«
»Ja, natürlich. Aber welche Befugnisse erhalte ich?«
»Was meinst du damit?«
»Nun ja, ihr wollt, daß ich ein hohes Tier des GRU hierherbringe. Das Risiko, daß das GRU es zu verhindern suchen wird, ist ja ziemlich groß…« Carl zögerte und lächelte über seine unabsichtlich komische Untertreibung. »Kurz, ich will wissen, was ich tun darf und was nicht.«
Schweigen senkte sich über den Raum. Alle Anwesenden betrachteten den Oberbefehlshaber, der kopfloser wirkte, als er es in seiner Funktion hätte sein dürfen. Die Frage lud zu einem Wirbel von Phantasien ein.
»Du erhältst folgende Anweisungen, Hamilton«, erwiderte der Oberbefehlshaber schließlich mit fester Stimme, als wäre er zu einem ebenso logischen wie selbstverständlichen und einfachen Beschluß gekommen.
»Du sollst mit allen zu Gebote stehenden Mitteln versuchen, unseren Überläufer nach Schweden zu transportieren. Es ist ein Unternehmen von unerhörter Bedeutung, dessen Erfolg im Interesse der Nation liegt.«
»Ist das alles?«
»Ja, das ist alles. Samuel kann die technischen Details ausarbeiten, natürlich nach Anhörung deiner Ansichten. Der Generalstabschef übernimmt die direkte operative Verantwortung. Sind wir uns einig?«
Carl starrte die Schulterklappen des Oberbefehlshabers mit einem einfältigen Blick an. Mit vier großen Generalssternen einig oder nicht einig? Mit allen zu Gebote stehenden Mitteln? Im Interesse der Nation?
»Ich werde auf jeden Fall mein Bestes geben, um das Unternehmen zu einem guten Ende zu bringen«, erwiderte Carl übertrieben entschlossen. Er fühlte sich wie in einem Pfadfinderlager.
Der Oberbefehlshaber stand auf, gab Carl die Hand, und irgendwie begriff dieser, daß er und Samuel Ulfsson gehen sollten. Was sie auch taten, und zwar auf dem direkten Weg durch das ganze Gebäude zu Samuel Ulfssons Dienstzimmer.
»Wie lange brauchst du für die Vorbereitungen?« wollte der Chef des Nachrichtendienstes wissen, als Carl sich mehrere Meter von ihm entfernt an den Konferenztisch gesetzt hatte.
Darauf konnte dieser keine genaue Antwort geben. »Ich vermute, mindestens achtundvierzig Stunden. Einmal muß ich mir verschiedene Transportwege überlegen, zum andern brauche ich eine glaubwürdige Identität. Ich brauche Papiere für mich selbst und unseren Gast, von dem man vermutlich keine geeigneten Fotos hat, und außerdem muß ich mir mehrere Alternativen überlegen für den Fall, daß die Russen wissen, wo ihr Überläufer sich befindet. Außerdem muß ich mir überlegen, wie man die Sicherheit der Botschaft erhöhen kann, ja, das ist schon einiges.«
Ulfsson erklärte, die ersten Widerstände zeigten sich schon. Man könne Carl zwar mit einem Diplomatenpaß versehen - der Oberbefehlshaber habe ihn als Militärattaché abkommandiert -, doch das Außenministerium weigere sich, einen Paß mit einem falschen Namen auszustellen. Da habe er, Ulfsson, zwar schon Krach geschlagen, aber sich die Zähne ausgebissen. Außerdem schütze diplomatische Immunität höchstens vor ägyptischen Behörden, doch kaum vor dem GRU.
Carl war der Meinung, die beiden Dinge hingen zusammen. Es sei nicht auszuschließen, daß seine Identität dem GRU bekannt sei. Er habe ja einmal unter eigenem Namen verwundet in einem syrischen Militärkrankenhaus gelegen und mit einer westdeutschen Terroristenbande zu
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