Im Interesse der Nation
darum gekümmert hätte, die Buchstaben auf Linie zu bringen.
Inzwischen hatte der Stockholmer Rechtsanwalt endlich Zeit gefunden, mit dem geschätzten Polizeiassistenten Hammar zu konferieren. Jetzt würde es hoffentlich endlich konkret werden. Die Verhöre im Betrugsdezernat mit Hammars Lebensgefährtin hatten überhaupt nichts ergeben, wenn man davon absieht, daß er zu dem kritischen Zeitpunkt nicht zu Hause gewesen war, doch das war ja schon bekannt. Die Hausdurchsuchung hatte, soweit man an Ort und Stelle feststellen konnte, nicht die kleinste Spur ergeben, und die elende Schufterei, die Kleidung des Verdächtigen unter dem Mikroskop zu untersuchen, war bislang ebenfalls ergebnislos geblieben. Hammars Lebensgefährtin vermißte keines seiner Kleidungsstücke, aber man konnte ja nicht wissen, ob sie die Wahrheit sagte.
Wie auch immer: Die Festnahme Tore Hammars hatte nichts als eine schreckliche Publizität zur Folge.
Die Presse von Norrköping hatte schon mit dem Finger auf ihn gezeigt, jedenfalls so deutlich, daß im Polizeihaus jeder wußte, um wen es ging (»der Polizeibeamte, der sich mit der größten Zahl von Anzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden hervorgetan hat… bekannt für seine Härte… Karate-Experte… Chef eines Polizeitrupps, der polizeiintern ›die Bären-Liga‹ genannt wird«, und so weiter). Sie hätten genausogut seinen Namen nennen können.
Rune Jansson mißbilligte den Festnahmebeschluß. Er hatte sich selbst die Frage gestellt, ob es daran lag, daß der Festgenommene Polizeibeamter war, ob es das war, was seine Kritik auslöste. Nach langem Überlegen war er jedoch zu dem Schluß gekommen, daß dies nicht der Fall war. Wenn man jemanden wegen Mordes vorläufig festnimmt, müssen mehr als nur hinreichende Verdachtsmomente vorliegen, denn die Festnahme hat für den Betreffenden ernsthafte Konsequenzen, ob er schuldig ist oder nicht. Besonders wenn es sich um einen Polizeibeamten handelt, und ganz besonders bei einem Mord, der in der Presse breitgetreten wird. Durch die Publizität teilt man dem wahren Mörder mit, daß bei der Fahndung etwas schiefgegangen ist. Und durch die Publizität fügt man dem möglicherweise unschuldigen Verdächtigen nicht widergutzumachenden Schaden zu.
Nein, hätte man Rune Jansson entscheiden lassen, hätte es eine Hausdurchsuchung, doch keine Festnahme gegeben. Aber zu diesem Zeitpunkt war Rune Jansson kaum mehr als die Nummer Vier in der Rangordnung der Voruntersuchung. Er hatte sich der Sache zwar annehmen dürfen, als sie im Morddezernat zum erstenmal auf den Tisch kam. Doch das lag daran, daß es ein Freitagnachmittag gewesen war, daß er Diensthabender gewesen war und sein Chef frei hatte. Danach wurde offiziell der Polizeidirektor Leiter der Voruntersuchung, der die Funktion jedoch an den Chef des Morddezernats weiterreichte, der wiederum die laufende praktische Arbeit an Jansson delegierte. Als dann ein Verdächtiger auftauchte, etablierte sich der Oberstaatsanwalt endgültig als Leiter der Voruntersuchung. Nein, Rune Jansson hatte auf den nach seinem Urteil zu spontan gefaßten Festnahmebeschluß keinen Einfluß gehabt.
Allerdings hatte er keineswegs die Hände in den Schoß gelegt und nur darauf gewartet, daß Polizeiassistent Tore Hammar zu Kreuze kroch und gestand. Jansson hatte weiter im Notizbuch des Opfers geschnüffelt und dort etwas Merkwürdiges gefunden, das sich als bedeutungsvoll erweisen konnte.
Doch jetzt ging es um das entscheidende Verhör mit dem zu diesem Zeitpunkt unbeliebtesten Mitglied des Polizeikorps von Norrköping. Donnerkeil sollte sich Punkt 10 Uhr in Begleitung seines Anwalts in Rune Janssons Dienstzimmer einfinden.
Rune Jansson ertappte sich dabei, daß er das kommende Verhör als entscheidend ansah. Und einzig entscheidend konnte nur sein, daß es Gründe geben würde, Donnerkeil auf freien Fuß zu setzen, da er vermutlich unschuldig war. Rune Jansson konnte sich kaum sachliche Gründe nennen, doch er glaubte an Hammars Unschuld.
Der Staatsanwalt wartete schon in Rune Janssons Zimmer. Er entschuldigte sich, daß er sich diese Freiheit genommen habe. Rune Jansson murmelte, es sei schon in Ordnung, während er das Tonbandgerät für das entscheidende Verhör bereitmachte.
Erneut ertappte er sich bei der Vorstellung, es werde zu einer Entscheidung kommen. Der Festgenommene und sein Anwalt erschienen drei Minuten zu spät. Es war ein typischer Prominentenanwalt aus Stockholm. Er roch nach Parfüm und trug eine
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