Im Interesse der Nation
mit dem Risiko, daß dieser Nachrichtenmann dabei »verbrannte«, das heißt für künftige geheimdienstliche Tätigkeiten nicht mehr in Frage kam.
Oder mit dem Risiko, daß er getötet wurde, was jetzt wahrscheinlich die Folge sein würde. Wirklich sehr schade um einen so guten Jungen.
Nun ja, jetzt ging es jedenfalls darum, der Zentrale mitzuteilen, daß nicht irgendein x-beliebiger Diplomat Gennadij Alexandrowitschs Begleiter auf dem kurzen Flug werden sollte, wie immer der enden würde. Hamiltons Kompetenz stellte ohne Zweifel eine gewisse Komplikation dar.
Doch die operative Verantwortung ruhte gegenwärtig nicht auf den Schultern Jurij Tschiwartschews, sondern auf denen einiger Kollegen in Kairo, die innerhalb einiger Stunden vor Hamilton gewarnt werden und sämtliche verfügbaren Angaben über ihn erhalten sollten. Das war jetzt vordringlich.
Der Ordner enthielt kein Bild von Hamilton, das mußte jetzt möglichst schnell beschafft werden. Die restlichen Angaben konnten sofort chiffriert und an die Zentrale gefunkt werden.
Jurij Tschiwartschew rief schnell seinen Chiffreur zu sich, gab ihm Hamiltons Akte und ließ dann seinen nächsten Untergebenen kommen, der zwar den Rang eines Generalmajors hatte, aber dennoch nur stellvertretender Resident war. Beim GRU gilt nicht die normale Rangordnung des Militärs. Ein paar Minuten später stand der Generalmajor in Habtachtstellung vor dem Obersten.
Es gehe darum, erklärte Tschiwartschew, schnell, möglichst innerhalb weniger Stunden, das Foto eines gewissen Korvettenkapitäns namens Carl Gustaf Gilbert Hamilton zu beschaffen. Die Angelegenheit sei äußerst dringlich und habe eine wichtige operative Funktion.
Der Generalmajor konnte nur vermuten, was »äußerst wichtige operative Funktion« heißen sollte - und daß es für den Betreffenden vermutlich nichts Gutes zu bedeuten hatte -, doch er besaß nicht das Recht zu fragen, sondern nur zu gehorchen. So verließ er sofort den Raum, um den Auftrag zu erledigen.
In einem »weichen« Land wie Schweden schien es eine leichte Aufgabe zu sein, selbst Fotos vom Personal des militärischen Nachrichtendienstes zu beschaffen. In einem »harten« Land wäre es unmöglich.
In den harten Ländern gab es keine öffentlichen Paßregister, in denen sogar die Fotos der Allgemeinheit zugänglich waren. Dies war der Grund, weshalb die schwedische Skandalpresse immer wieder Bilder von verunglückten Schweden veröffentlichen konnte, ein unbegreiflicher Unfug, wie Tschiwartschew meinte.
Alle Schweden, selbst Nachrichtenoffiziere, besaßen ja Pässe. Zunächst ging es nur darum, die vier letzten Zahlen der Personennummer des Objekts zu finden, der Rest war dann eine Kleinigkeit.
Diese Aufgabe mußte jedoch jemandem übertragen werden, der nicht zum Botschaftspersonal des GRU gehörte. Und wie der Zufall es wollte, komplizierte sich der Auftrag des Generalmajors ein wenig. Überdies war es Freitag, und schwedische Ämter und Behörden sind am Wochenende geschlossen.
Hamilton stand zudem nicht im Telefonbuch, was die Jagd auf die letzten vier Zahlen seiner Personennummer verzögerte.
Und der Journalist bei Dagens Nyheter, der das Paßbild auch am Wochenende hätte besorgen können, befand sich im Ausland.
So kam es, daß das Foto von Korvettenkapitän Hamilton erst am folgenden Montag um 10.17 Uhr in Händen des GRU war. Und dieses verdrießliche Detail würde unerwartete Konsequenzen haben.
Carl fühlte sich gesund, munter und stark. Das letzte Material von Bedeutung, das er sich einprägen mußte, Informationen über schwedische Militärs im Nahen Osten, hatte er auf einer Toilette des Züricher Flughafens vernichtet. Jetzt wiederholte er in Gedanken methodisch, welche Vorbereitungen noch zu treffen waren, während er sich sorglos mit seinem Nachbarn unterhielt, einem ägyptischen Geschäftsmann. Sie sprachen über die Zukunft der Computertechnologie.
Auf dem Züricher Flughafen hatte es aus unbekanntem Anlaß verstärkte Sicherheitskontrollen gegeben, so daß man das Handgepäck der Transitpassagiere vor dem Umsteigen erneut kontrolliert hatte. So war Carls weinrote, elegante, aber verblüffend schwere Kameratasche an diesem Tag schon zum zweitenmal durchleuchtet worden, ohne daß der Kontrollbeamte etwas anderes gesehen hätte als zwei Kameras und einige Objektive.
Denn genau das zeigten die Plexiglasbildschirme unter dem Futter. Und wenn man die Tasche öffnete, lagen dort Kameras. Es sah alles so aus wie auf dem
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