Im Interesse der Nation
Vizeadmirals.
Eine Weile lauschte er den Fröschen und Zikaden, die vor dem offenen Fenster lärmten. Er fühlte sich vollkommen harmonisch und ruhig und schlief schnell ein.
Er schlief direkt unter der Oberfläche des Bewußtseins und glaubte, im Traum oder Halbtraum leisen russischen Gesang zu hören.
Als es endlich Zeit war aufzustehen, brannte er vor Eifer und Energie. Er zog sich Freizeitkleidung an, steckte einen Teil seiner Ausrüstung ein, ging die Treppe hinunter und überquerte den Hof bis zum Außentor der Botschaft. Es war verschlossen, wie er schon erwartet hatte, ließ sich aber von innen öffnen, ohne daß Alarm ausgelöst wurde. Er setzte sich eine dunkle Sonnenbrille auf und trat auf die Straße; er fühlte sich albern mit dieser Verkleidung, aber sie verhinderte zumindest, daß man identifikationsfähige Fotos von ihm machen konnte, und gab ihm überdies mehr Möglichkeiten, sich umzusehen, ohne einen übertrieben wachsamen Eindruck zu machen.
Als er ein paar Straßenblocks weiter war, kam er auf eine Geschäftsstraße, und wie erwartet war Kairo eine Stadt der Frühaufsteher. Er kaufte an ein paar Straßenständen Tomaten, eine Gurke und Brot und fand dann einen kleinen Laden, in dem er Mineralwasser, Kaffee und etwas erstand, was wie Schinken aussah, aber natürlich nichts anderes sein konnte als getrocknete Hammelkeule.
Als Carl schwer bepackt den Laden verließ, trat ein Mann auf ihn zu, zupfte ihn am Ärmel und fragte, ob er Schwede sei.
»Wieso?« erwiderte Carl feindselig und vibrierte im ganzen Körper vor Mißtrauen. Der Mann, der ihn angesprochen hatte, trug einen dunklen, abgewetzten Anzug mit Schweißflecken unter den Armen, hatte braune Zähne, einen übelriechenden Atem und war kräftig gebaut, zudem größer als der Durchschnitt seiner Umgebung.
»Ich habe nämlich einen Brief«, lächelte der Ägypter einschmeichelnd, »einen Brief auf schwedisch.«
»Ist er für mich?« wollte Carl wissen, während er den dunklen Anzug mit den Augen nach versteckten Waffen absuchte.
»Nein, nein, ganz und gar nicht«, lächelte der Ägypter, »wie kommen Sie denn darauf? Es geht jedoch um eine sehr, sehr wichtige Angelegenheit, und ich brauche Ihre Hilfe.«
»Wobei brauchen Sie meine Hilfe? Und was ist das für eine wichtige Angelegenheit?« fragte Carl und sah sich nervös um. In der Umgebung schien alles normal zu sein, niemand beobachtete sie.
»Beim Lesen des Briefes, natürlich. Sie verstehen, mein Bruder wollte eine Schwedin heiraten, aber als sie nach Hause fuhr, landete sie gleich im Krankenhaus, und jetzt haben wir einen Brief bekommen, der auf schwedisch geschrieben zu sein scheint. Wir sind sehr, sehr besorgt und würden ihn gern übersetzen lassen. Bitte, seien Sie so nett, es ist ganz in der Nähe.«
Der Mann sah ihn bittend an, und Carl wußte nicht, was er glauben sollte. Es konnte ebensogut eine wichtige Mitteilung sein wie eine Falle.
»Wo denn in der Nähe?« fragte Carl.
»Ganz in der Nähe, gleich um die Ecke. Bitte kommen Sie mit, es ist für uns sehr wichtig.«
Der Ägypter zog ihn bittend am Ärmel. Carl riß sich schnell los, wobei ihm aufging, daß er mit seinen Tüten überladen war.
»In Ordnung«, sagte er. »Sie gehen voraus, tragen die Tüten und zeigen mir den Weg.«
Der Ägypter sah ihn fragend an, zuckte dann aber die Achseln und übernahm Carls Tüten und Päckchen. Sie gingen los. Einen Straßenblock weiter protestierte Carl, doch der Ägypter versicherte, sie seien gleich da.
Sie kamen an einen Laden, in dem Parfüms und Touristensouvenirs angeboten wurden. Carl schob seinen Begleiter hinein, folgte ihm und zog dann schnell die Tür hinter sich zu. Der Laden war leer.
»Bitte warten Sie einen Moment, dann hole ich meinen Bruder«, sagte der Ägypter. Er bewegte sich auf eine Tür zu, die am hinteren Ende des Ladens von einem Vorhang verdeckt wurde. Er bemerkte, daß er immer noch Carls Tüten trug, und lächelte verlegen, als er sie abstellte. Vermutlich war es dieses Detail, das Carl dazu brachte, ihn gehen zu lassen. Das Ganze sah zu verrückt aus, um eine Falle zu sein. Doch als der Ägypter durch die Tür verschwunden war, zog Carl sich schnell seine Wildlederjacke aus, nahm seine Pistole aus dem hinteren Hosenbund, entsicherte sie und versteckte sie in der Jackentasche. Dann stellte er sich in die Nähe der Tür und lauschte intensiv.
Er hörte eine geflüsterte Konversation, denn der Ägypter hatte die Tür nicht zugezogen. Auch das war
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