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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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einer Handbewegung, noch immer, ohne den Blick von dem ewigen Fluß abzuwenden. Göran Larsson stand auf und ging mit einem zornigen Schnauben davon.
    »Sie stellen uns auf schwere Proben, junger Mann. Was haben Sie übrigens gegen meinen Stellvertreter?« fragte der Botschafter leise, als der junge Botschaftssekretär außer Hörweite war.
    Carl wollte zunächst nicht auf Details eingehen.
    »Nun ja«, sagte er, »um nur eines zu erwähnen, kommt es mir merkwürdig vor, daß Freizeit schwerer wiegen soll als die Sicherheit des Landes.«
    »Schön, aber das ist es doch nicht allein«, sagte der Botschafter, drehte sich um und blickte gleichzeitig verstohlen auf den Tisch, um zu sehen, ob er sich noch einen Gin-Tonic eingießen konnte; es war möglich, allerdings ohne Eis, denn das war in seiner Orrefors-Schale schon geschmolzen. »Wenn ich mich nicht irre, sind Sie früher schon mal zusammengestoßen. Göran hat so etwas angedeutet«, fuhr der Botschafter fort, während er sich bediente.
    »Ja, das stimmt. Ich halte ihn für einen Taugenichts, und er dürfte mich für… na ja, das kann ich im Grunde nicht wissen. Aber er hat mir schon bei mehreren Gelegenheiten etwas vermasselt, und ich glaube nicht, daß er den Ernst der Lage erfaßt hat. Hast du das übrigens?«
    Carl bereute sofort, daß er den Botschafter geduzt hatte. Das bedeutete weniger Distanz, und es war seine Absicht gewesen, bei dem notwendigen Umgang möglichst große Distanz zu dem Diplomaten zu wahren.
    »Nein, vielleicht nicht. Warum müssen wir uns übrigens hier unten unterhalten?« erwiderte der Botschafter langsam und in einem vollkommen unergründlichen Tonfall.
    »Hier kann man uns von festen Anlagen aus kaum abhören. Wie viele in der Botschaft wissen, daß unser Freund Gennadij Alexandrowitsch hier ist?«
    »Ich selbst, dann Göran Larsson, natürlich, und Eva Ekström. Nun ja, sie weiß jedenfalls, daß es ein Russe ist.«
    »Eva Ekström, ist das die mit dem grauen Haar?«
    »Ja.«
    »Ist sie Diplomatin oder gehört sie zum Büropersonal?«
    »Rein formal hat sie keinen Diplomatenstatus.«
    »Was bedeutet das?«
    »Sie erledigt trotzdem viel von der laufenden Arbeit.«
    »Kann sie übers Wochenende arbeiten?«
    »Du hast doch selbst gehört, auf was für Einwände wir dabei stoßen. Wir mögen zwar in Ägypten leben, trotzdem sind wir das sozialdemokratische Schweden.«
    »Ich brauche sie an diesem Wochenende.«
    »Ist der Bursche wirklich all das wert?«
    »Für die Russen ist er einen halben Krieg wert. Doch die haben davon, was Krieg oder Frieden ist, vermutlich eine ganz andere Auffassung als wir. Sein Wert für uns alle ist jedenfalls unermeßlich.«
    »Falls es ihm gelingen sollte, von hier wegzukommen.«
    »Ja, wenn wir das schaffen.«
    »Den Ägyptern scheint sehr daran gelegen zu sein, das Problem von ihrem Territorium zu verlagern. Sobald ich den Paß bekomme, werde ich mich schnellstens um das Visum kümmern. Werden meine Überstunden auch aus der schwarzen Kasse des Generalstabs bezahlt?«
    »Ja, wenn du es verlangst.«
    »Das war nur ein Scherz.«
    Carl erhob sich und ging. Göran Larssons Anzug entdeckte er in seinem Zimmer auf dem Bett, und er nahm ihn mit ins Zimmer des Vizeadmirals, der ihn gleich anprobierte. Carl notierte, was geändert werden mußte. Dann brachte er den Gast in seinem eigenen Zimmer unter und befestigte an der Tür eine Sprengladung, deren Sprengwirkung nach draußen gerichtet war; der Taschenrechner, den er an der Innenseite der Tür befestigte, hatte einen Auslöser, der vom Zimmer aus betätigt werden konnte, doch würde die Ladung auch automatisch detonieren, wenn jemand den Türgriff hinunterdrückte. Carl sperrte den Korridor mit einer dünnen Nylonschnur ab, an der er ein Schild mit schwedischer Aufschrift befestigte: ZUTRITT VERBOTEN. Dann betrat er das Zimmer, in dem der Vizeadmiral gewohnt hatte. Es duftete schwach nach Mensch und einem unbekannten Rasierwasser. Carl machte das Licht aus, zog die Rollgardine ein kleines Stück hoch und sah aus dem Fenster. Die beste Methode wäre, eine Sprengladung von draußen, vom Fluß her, ins Zimmer zu schießen, dachte er. Doch dann muß man auch ungefähr wissen, wo sich das Ziel befindet. Aber im Moment und noch für etliche weitere Stunden würde Carl selbst das Ziel sein.
    Er packte in der schnell einbrechenden Dunkelheit seinen Koffer aus. Seine Pistole legte er in bequemer Reichweite auf den Nachttisch und kroch dann in das Bett des

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