Im Jahre Ragnarök
Lebensversicherung. Verstanden?«
Der Rottenführer bestätigte die Befehle, indem er ein bellendes »Jawohl, Reichsführer!« ausstieß und die Hacken zusammenschlug; die Gummisohlen seiner amerikanischen Kampfstiefel brachten aber statt eines harten Knallens nur ein flaches Prallgeräusch hervor.
Mit einem festen Händedruck verabschiedete Himmler sich von Dünnbrot. »Wir sehen uns bald wieder«, sagte er.
»Ich kann es kaum erwarten, Reichsführer«, versicherte Dünnbrot.
Nach einigem Suchen hatte Sperber einen Platz gefunden, an dem er sich ohne Gefahr eine Zigarette anzünden konnte. Auf einer der Bastionen hoch über dem vom Nieselregen neblig grau verhangenen Elbtal, stand ein steinernes rundes Wachhäuschen, kaum größer als eine Litfaßsäule, in dem früher die Posten Schutz vor Wind und Wetter gefunden hatten. Nun bot es einen idealen Rückzugsort. Sperber schaute sich um; niemand befand sich gerade in der Nähe. Geschwind schlüpfte er in das Wachhaus, um endlich rauchen zu können. Nicht, dass er sich übermäßig viel daraus machte. Aber sehr wahrscheinlich würde er nie wieder Gelegenheit dazu haben, wenn er sich erst einmal im tabaklosen Schweden der Bronzezeit befand.
Er griff in die Tasche und tastete nach der Schachtel. Doch sie war nicht dort, und auch in den übrigen Taschen der Uniform steckte sie nicht.
Sperber dachte nach. Vor der Zelle hatte er dem Engländer eine Zigarette angeboten. Hatte er danach die Schachtel versehentlich an der Tasche vorbeigesteckt, und sie war unbemerkt auf den Boden gefallen?
Verärgert machte er sich auf den Weg zurück.
Beim Fahrzeugpark unterhalb der Festung herrschte rastlose, aber militärisch geordnete Betriebsamkeit. SS-Männer beluden die unter Tarnnetzen aufgereihten weißen Lastwagen mit allem, was für den Feldzug in die ferne Vergangenheit notwendig war: Khakifarbene Tropenuniformen und Sonnenöl für die Hitze des Vorderen Orients; Winterausrüstung für das raue Klima Südschwedens; Munition, Proviant und Waffen fanden ihren Platz auf den Ladeflächen ebenso wie die Kästen und Mappen, in denen sich die Blaupausen, Pläne und Instrumente befanden, mit denen die hundert Techniker und Ingenieure eine Zivilisation aus dem Nichts erschaffen sollten.
Wie befohlen vergewisserte Klörath sich, dass die von Himmler genannte Kiste ordnungsgemäß verstaut wurde. Sechs kräftige Männer mussten den großen mattgrauen Stahlbehälter, dessen Deckel durch ein schweres Vorhängeschloss gesichert war, mühsam auf den Lastwagen wuchten. Dann ließ der Rottenführer sich einen der Jeeps aushändigen. Dünnbrot setzte sich neben Klörath auf den Beifahrersitz; mit einem ruppigen Satz vorwärts fuhr der Geländewagen an.
* * *
Ruhelos, wie ein Löwe in einem zu kleinen Käfig, ging Tubber in der fast dunklen Zelle auf und ab. Er wollte nicht wahrhaben, dass es keinen Ausweg geben sollte.
Doch mit jeder Minute, die verstrich, ohne dass ihm ein rettender Einfall kam, schwand sein innerer Widerstand. Noch weigerte er sich, das Unausweichliche zu akzeptieren. Aber ein Teil von ihm ahnte bereits, dass ihm keine andere Wahl mehr blieb, als sich dem Schicksal zu fügen und einfach nur auf den Tod zu warten.
Es kann nicht das Ende sein! , versuchte er sich einzureden, wenn die Resignation an die Oberfläche zu treten drohte. Ich habe schon in so vielen aussichtslos scheinenden Situationen gesteckt: in Afghanistan, in Indien, in Syrien. Und bisher konnte ich mich noch aus jeder Sackgasse wieder herausmanövrieren. Ich kann es auch diesmal schaffen! Aber es fiel ihm zunehmend schwerer, daran zu glauben.
Gerade hatte Tubber einmal mehr die Mauer mit dem vergitterten Fenster erreicht, als urplötzlich ein helles bläulich weißes Licht die Zelle erfüllte. Erschrocken fuhr er herum und erblickte in der Mitte des Raums ein leuchtendes Feld, von dem ein kaum hörbares Summen ausging.
»Ein Zeitportal?«, entfuhr es dem überraschten und irritierten Tubber.
Eine Gestalt trat aus dem grellen Schein. Erschrocken wich Tubber ruckartig zurück und stieß dabei mit dem Rücken gegen die Mauer.
Vor ihm stand Otto Pallasch. »Was – was wollen Sie von mir?«, stammelte Tubber. Die Gegenwart dieses Mannes flößte ihm Furcht ein. Für ihn war und blieb Pallasch die Leiche im Kühlraum, und jedes Mal, wenn er ihn lebendig sah, geriet sein Verstand ins Wanken.
»Kommen's mit«, forderte Pallasch ihn auf. Sein Tonfall war ernst und besorgt.
»Mitkommen? Wohin?«
»Das wern's dann gleich
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