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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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seh'n. Ich bitt' Sie, es ist wichtig!«
»Wer sagt mir, dass Sie mir keine Falle stellen?«, fragte Tubber argwöhnisch.
Pallasch machte eine wegwerfende Geste. »Gehn's, was für a Falln sollt' das sein? Sie hab'n nix zu verlier'n. Wenn's hierbleiben, sterben's sowieso bald. Aber wenn's mitkomm'n, können's die Welt vor Himmlers wahnsinnigem Plan retten.«

Als er die Zellentür erreichte, brauchte Sperber nicht lange zu suchen. Auf den ersten Blick entdeckte er die Zigarettenschachtel zu seinen Füßen und ging in die Hocke, um sie aufzuheben. Doch mitten in der Bewegung hielt er mit ausgestreckter Hand inne. Er hatte Laute gehört, die wie gedämpfte Stimmen klangen. Die Stimmen zweier Männer. Und sie schienen durch den Türspalt aus dem Inneren der Zelle zu dringen.
Rasch legte Sperber sich flach auf den Steinboden, um das Ohr so dicht wie möglich an den Spalt zu bringen.

Tubber bemühte sich, zu verbergen, dass ihn Pallaschs Anwesenheit verstörte und sogar in Furcht versetzte. »Nie im Leben«, weigerte er sich und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich denke nicht daran, mit Ihnen zu gehen. Nicht, solange ich nicht weiß, was sie vorhaben, Pallasch.«
»Hörn's, wir haben keine Zeit zu diskutier'n. Wir brauchen Sie, um Himmler aufzuhalten. Ich werd' Ihnen zusammen mit Dr. Ecke alles erklär'n, aber die Zeit rennt uns davon«, drängte Pallasch.
Tubber forschte im Gesicht seines Gegenübers. War der SS-Offizier nun aufrichtig besorgt oder verstellte er sich gekonnt? Es gab für Tubber keinen Anlass, ihm zu trauen; er hatte selber gesehen, wie ungerührt Pallasch bei der Ermordung des amerikanischen Captains geblieben war, und er hatte auch keinen Zweifel, dass dieser Mann genau wusste, was mit den abgewiesenen Rekruten in Carinhall geschehen war.
Doch dann erkannte Tubber, dass er nichts mehr zu verlieren hatte. Im schlimmsten Falle würde ihm Pallaschs undurchsichtige Aufforderung zu einem geringfügig vorgezogenen Tod führen. Aber vielleicht war es auch eine letzte Chance, die er nicht leichtfertig vertun durfte. Zudem empfand er einen unterschwelligen Zwang, Pallasch durch das Zeitportal zu folgen. Ihm war, als bliebe ihm überhaupt keine Wahl, als wäre die Entscheidung bereits getroffen worden. Das Gefühl, dass etwas ihn unerbittlich dazu trieb, mit Pallasch zu gehen und dadurch etwas längst Vorausbestimmtes zu bestätigen, bereitete ihm so großes Unbehagen, dass er es durch schnelles Handeln verdrängen wollte. »In Ordnung«, stimmte er zu.
Erleichtert nickte Pallasch, machte kehrt und ging in das Portal. Tubber trat bis vor die Lichtwand, ballte die Hände zu Fäusten und machte dann einen entschlossenen Schritt vorwärts. Das bläuliche Leuchten verschluckte ihn, erlosch dann und ließ die Zelle im Halbdunkel zurück.

Sperber sprang vom Boden auf und rannte los, die Treppe hinauf und durch die engen Gänge, bahnte sich einen Weg zwischen den Kisten und Uniformen schleppenden Männern. Im Laufen sah er auf die Uhr. Wenn er sich beeilte, kam er gerade noch zur rechten Zeit, um unbemerkt in das Schatzhaus zu gelangen. Es ging um Sekunden.

Als Tubber den Lichtkokon verließ und in den Keller des Schatzhauses trat, überfielen ihn augenblicklich infernalische Schmerzen, die ihm diesmal nicht nur den Schädel zu sprengen drohten, sondern nun auch noch tief in das Rückgrat stachen.
Er schrie auf, aber seine Schreie blieben unhörbar, übertönt vom Dröhnen der Dieselgeneratoren im darüberliegenden Stockwerk. Er krümmte sich, presste die Hände gegen den Kopf und wäre vom Podest gefallen, hätte ihn Pallasch nicht im letzten Moment abgefangen.
Unverzüglich legte Dr. Ecke einen Schalter um. Das Zeitportal löste sich auf und ein unbeschreibliches Gefühl der Erlösung erfüllte Tubber, als der Schmerz umgehend nachzulassen begann.
Pallasch deutete auf die Uhr und machte eine Geste, mit der er um Geduld bat.
Tubber verstand, dass die Aggregate sich gleich abschalten würden. Er wartete, während der Nachhall seiner Qualen sich verflüchtigte.

Abgehetzt kam Sperber in den Generatorenraum des Schatzhauses gestürzt. Er keuchte außer Atem, doch die Eile hatte sich gelohnt. Seine Kalkulation hatte sich als richtig erwiesen; dank der noch laufenden Dieselaggregate konnte niemand, der sich im Untergeschoss befand, sein Eindringen bemerken. Rasch verbarg er sich am oberen Ende der Treppe, sodass er alles mithören konnte, was im Keller gesprochen wurde. Er hatte seinen Platz keinen Moment zu früh

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