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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Lachen ausschüttete, und er lachte immer noch, als die drei Männer die grasüberwucherte Freifläche hinter dem Herkules erreichten. Sie passierten ein weitläufiges, bis zum Rand gefülltes Wasserbecken, das früher einmal offenbar die Kaskaden und Wasserspiele am Berghang gespeist hatte. Zu gerne hätte Tubber den Amerikaner dort hineingestoßen und auf diese Weise ausgeschaltet; doch daran war nicht zu denken.
Smith ging ein Yard hinter ihm und hielt die Pistole schussbereit in der Hand. Es war Tubber klar, dass er nicht die geringste Chance hatte, schnell genug die Leiche fallen zu lassen, sich umzudrehen und den Agenten mit einem gezielten Tritt oder Schlag ins dreckige Wasser zu befördern. Smith würde in jedem Fall ausreichend Zeit bleiben, zu reagieren. Und Tubber wusste genau, welche Art von Reaktion von einem schwer bewaffneten CIG-Agenten zu erwarten war. Angestrengt versuchte er, rasch einen anderen Ausweg aus der verfahrenen Situation zu finden, ehe es dafür endgültig keine Möglichkeit mehr gab.
Doch dann geschah etwas, das er absolut nicht erwartet hatte. Alles kam so schnell, dass er zunächst nicht einmal begriff, was eigentlich passierte, und er nur bruchstückweise wahrnahm, was sich ereignete. Plötzlich merkte er, wie das hintere Ende der Leiche zu Boden sackte. Dünnbrot hatte den Toten fallen gelassen und stürzte sich von hinten auf Smith. Der Amerikaner bemerkte die Attacke und fuhr ruckartig herum, doch es war zu spät. Dünnbrots Faust traf ihn ins Gesicht. Die Sonnenbrille wirbelte durch die Luft, der Amerikaner taumelte zurück, verlor am Rand des Beckens das Gleichgewicht und stürzte in das trübe Wasser.
»Fuckin' Sobs!«, brüllte Smith, der wild mit den Armen um sich schlug und dabei ungewollt in den grünbraunen Fluten verschwand. Als er wieder auftauchte, spie er einen Schwall schmutzigen Wassers aus.
»Dafür bezahlt ihr! Wir sehen uns wieder, und dann geht's euch verflucht dreckig, Hurensöhne!«, schrie er.
Tubber packte Dünnbrot am Arm. »Verschwinden wir. Wer weiß, ob sich noch mehr von der Sorte in der Gegend herumtreiben«, drängte er und zog den Deutschen mit sich.
Verfolgt von Smith' dröhnenden Flüchen liefen sie zurück zum Herkules und dann die verwilderten Waldwege des Bergparks hangabwärts in Richtung Kassel.
Erst als das wütende Toben des Amerikaners schon längst nicht mehr zu hören war, blieben sie stehen.
»Wir sind weit genug«, schnaufte Tubber außer Atem. »In der nassen Kleidung holt er uns sowieso nie im Leben ein. Machen wir eine Pause.« Er ließ sich auf dem Stamm eines umgestürzten Baumes nieder und holte tief Luft. »Gut gemacht,
Kommissar«, sprach er zwischen zwei erschöpften Atemzügen seine Anerkennung aus.
»Schwachsinn. Hat sich was mit gut gemacht«, keuchte Dünnbrot, der mit rotem Kopf an einem alten Wegweiser lehnte und stoßweise nach Luft schnappte. »Ich wollte ihn bewusstlos schlagen, damit er ersäuft. Und das ist misslungen. Scheiße, verfluchte Scheiße!«
»Sie wollten ihn umbringen ?«, fragte Tubber ungläubig und wischte sich mit dem Handrücken den Schweißfilm von der Stirn. »Gott weiß, ich verabscheue diesen Cowboy, der meine ganzen Ermittlungen ruiniert hat. Aber gleich umbringen, das hat er ja nun auch nicht verdient, und ...«
»Doch, hat er«, fiel ihm der Deutsche scharf ins Wort. Seine Stimme schien in diesem Moment aus schneidendem Hass zu bestehen. In seinen starren Augen flackerte etwas Dunkles, Bedrohliches, Tödliches. Obwohl Tubber wusste, dass es nicht ihm galt, überkam ihn kaltes Entsetzen. Dünnbrot flößte ihm Furcht ein.
»Aber – aber warum ?«, wollte er wissen, obgleich ein Teil von ihm sich dagegen sträubte, diese Frage zu stellen, aus Angst vor der Antwort und den Abgründen, die sich hinter ihr auftun könnten.
Urplötzlich veränderte sich Dünnbrots Blick. Das hasserfüllte Flackern verlosch, seine Augen glitten wieder zurück in die matte Teilnahmslosigkeit, die sie die meiste Zeit ausstrahlten; nur eine kaum zu ahnende Spur von Traurigkeit lag vielleicht in ihnen.
»Ich habe meine Gründe«, sagte er leise. »Fragen Sie nicht, ja?« Er steckte die Hände tief in die Manteltaschen und blickte in sich gekehrt zu Boden.
»Schon gut, ich werde bestimmt nicht fragen«, versicherte Tubber, der sich in seiner Haut nicht wohlfühlte.
Schweigend erholten sich die beiden Männer noch für einige Minuten, dann setzten sie ihren Weg fort. Tubber ließ sich dabei von Dünnbrot genau schildern,

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