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Im Jahre Ragnarök

Titel: Im Jahre Ragnarök Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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was zu tun ist. Odin wird's ihm schon gesagt haben«, befand Pallasch und lachte auf. »Übrigens, sind's im Bilde über den Sammelpunkt für die Konvois?«
»Der Marktplatz in Pirna, am Fünfzehnten um 13 Uhr«, bestätigte der andere SS-Offizier. »Ich wurde über die Änderung in Kenntnis gesetzt. Da fällt mir ein, von den Rekruten dort werden nicht wie ursprünglich gemeldet zwölf zur Odinsburg mitkommen, sondern nur zehn. Zwei sind bei der abschließenden rassekundlichen Untersuchung doch noch knapp durchgefallen.«
»Bedauerlich für sie, aber was soll man machen. Ich glaube, es ist jetzt an der Zeit, Hauptsturmführer.«
»Denke ich auch. Sie schließen sich ja dem ersten Konvoi an, wir sehen uns also in Pirna. Ich wünsche Ihnen schon mal gute Fahrt.«
Die beiden Männer verabschiedeten sich voneinander. Pallasch ging nach links fort, während der andere über die Lichtung schritt und vor die wartenden Männer trat. Nun erst konnte Tubber Graufelds Gesicht sehen, und obwohl das unruhig zitternde Licht die Züge des SS-Offiziers verfälschte, trat deren Alltäglichkeit klar zutage. Tubber empfand eine gewisse Enttäuschung.
Aus den Lautsprechern, die an den Flaggenmasten befestigt waren, ertönte ein kurzes Knarzen, als die Nadel von der Schallplatte gehoben wurde und die dröhnende Musik mit einem Schlag verstummte. Für einige Augenblicke lag absolute Stille über der Lichtung, und der geisterhafte Aufmarsch war, abgesehen vom Tänzeln der Flammen und vom Flackern des Feuerscheins, wie zu einem Gemälde erstarrt.
Dann erhob Graufeld die Stimme und verkündete: »Männer! Ihr habt vier Monate harter Ausbildung hinter euch. Vier Monate, in denen wir euch wieder und wieder an die Grenzen dessen, was ein Mensch zu leisten vermag, geführt haben.
Euer stählerner Durchhaltewille und eure Hingabe haben in uns die Überzeugung reifen lassen, dass ihr alle, jeder Einzelne von euch, würdig wärt, euch in die eherne Gemeinschaft der SS einzureihen!«
Er legte eine kurze Kunstpause ein, gerade genug, um das Pathos seiner Worte zu voller Wirkung zu bringen. Dann fuhr er fort: »Wenn ich heute nur zehn von euch auffordere, sich der Streitmacht anzuschließen, die sich zur Rettung unserer Rasse formiert, dann rufe ich zugleich den übrigen zu: Auch euer Tag wird kommen!
Wir werden euch nicht vergessen, wenn der Kampf siegreich beendet ist.
Wir werden uns eurer erinnern! Belohnen aber wollen wir euch jetzt schon. Auf diesem Wagen dort« – er wies auf einen Lastwagen, dessen Ladefläche von einer Plane verdeckt war – »befinden sich Pakete mit Lebensmitteln. Geht nach Hause, bringt diese Geschenke euren hungernden Familien, sagt ihnen, dass der Tag der Befreiung von der jüdisch-amerikanischen Unterdrückung nah ist. Und sagt ihnen,
dass ihr die Freunde der Helden seid, die zum heiligen Kampf für diese Befreiung antreten! Sieg heil!«
Er riss den rechten Arm ausgestreckt in die Höhe, und die jungen Männer taten es ihm nach. Aus vollen Kehlen erwiderten sie den Ruf, dreimal, neunmal, zehnmal, in einem Taumel flammender Begeisterung.

In seinem Versteck lief es Tubber eiskalt den Rücken hinab. Was er sah, war bereits erschreckend genug; doch das, was er jetzt wusste, erfüllte ihn mit blankem Horror.
Nun stand fest, dass es eine geheime Naziarmee gab, und dass sie schon bald zuschlagen würde. Eine Armee von Männern, die nichts zu verlieren hatten, aufgepeitscht und fanatisch. Was immer der namenlose Reichsführer mit diesem Heer plante, würde zwangsweise in einem Meer von Blut enden. Es konnte gar nicht anders sein.
Ich muss es verhindern , machte er sich eindringlich klar. Nie zuvor in seinem ganzen Leben hatte ihm so deutlich vor Augen gestanden, was er zu tun hatte. Und dieses eine Mal, dieses einzige Mal, würde es etwas sein, von dessen Notwendigkeit und Richtigkeit er vollauf überzeugt war.

Graufeld rief zehn Namen auf, so feierlich, als würde er bei einer liturgischen Handlung Heilige anrufen. Die Männer traten vor, und während Graufeld sie mit lobenden Worten für ihre künftigen Großtaten bedachte, fuhr einer der weißen Lastwagen vor. Tubber sah, dass der Wagen die Aufschrift Cruz Roja trug und eine gelbe Seuchenflagge am Führerhaus befestigt war; schlagartig wurde ihm klar, dass die Nazis sich auf diese Weise unbehelligt im gesamten Land bewegen konnten. Kaum eine der wenigen britischen oder amerikanischen Patrouillen würde so lebensmüde sein, einen spanischen Rotkreuz-Transport zu

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