Im Keller
schon wieder umsonst durch die Stadt zu fahren, rief er Uschi Gerber an (die natürlich gerade nicht anwesend war) und hinterließ auf ihrem Anrufbeantworter eine Nac hricht.
*
Simone fand einen Behindertenparkplatz in nächster Nähe zum Eingang des Einkaufscenters. Sie musste jetzt noch schmunzeln, wenn sie daran dachte, wie sie um diesen Ausweis gekämpft hatte. Aber sie hatte ihn bekommen!
Das Aussteigen aus dem Auto fiel ihr nicht leicht, aber wenn sie sich Zeit ließ , tat es kaum weh. Das nächste Hindernis wartete bei den zusammengeschobenen Einkaufswagen. Simone nahm ein verpacktes Feuchttuch aus ihrer Handtasche, riss es auf und rieb mehrmals sorgfältig den Griff des Wagens mit dem Tuch ab, bevor sie ihn von der Kette löste. Tuch in den Abfalleimer, hinein ins Einkaufscenter.
Fürs Abendessen kaufte sie Steaks, füllte den halben Wagen mit weiteren Leckereien für sich und Mathias, lud alles ins Auto und wusch sich zu Hause erst einmal fünf Minuten lang die Hände.
Schließlich zog sie Gummihandschuhe über, holte sich einen Eimer mit Wasser und Putzmittel, eine Bürste und einen Fugenkratzer und trug alles auf die Terrasse hinterm Haus, die sie noch nicht zu Ende geschrubbt hatte. Die Sommerblumen für Garten und Terrasse, die sie gekauft hatte, hatte sie vorerst in ihren schwarzen Plastiktöpfen in einer Ecke zusammengeschoben. Am Montag hatte sie sich noch darauf gefreut, alles einpflanzen und hegen und pflegen zu können.
Ja, sie hatte sich auf den Sommer gefreut. Bis die Leiche von Clemens aufgetaucht war. Bis die Erinnerungen kamen. Unangenehme Erinnerungen, die ihr auf den Magen schlugen. Seit zwei Tagen nahm sie jetzt ein Medikament dagegen, das sich nicht wirklich mit den Schmer ztabletten, die sie ab und zu brauchte, vertrug. Dieser Mistkerl wirbelte noch nach seinem Tod das Leben seiner Mitmenschen durcheinander!
Simone verbot sich, an ihn zu denken und bearbeitete ein paar Terrassenfliesen mit der Bür ste. Irgendwann hatte sie keine Lust und keine Kraft mehr und machte sich zum Mittagessen eine Tütensuppe fertig. Während sie die Suppe löffelte, blitzten plötzlich wieder Erinnerungen auf, diesmal an Carmen Elisabeth, wie sie in ihrem Müll hauste, wie sie den Verstand verlor und wie sie manchmal vor sich hinmurmelte ,Sie kommen näher!‘. Und Simone erinnerte sich ganz genau an die Panik in ihren Augen.
Darauf trank sie ein Schnäpschen, legte nach dem Essen im Wohnzimmer ein wenig die Füße hoch und ruhte sich aus. Keine Viertelstunde später klinge lte das Telefon. Sie griff nach dem Apparat, der auf dem Tisch lag. „Ja?“
„Hallo, ich bin’s, Uschi. Der Kommissar von vorgestern, der hat schon wieder anger ufen! Was will der von mir?!“
Simone setzte sich ein wenig aufrechter hin. Dabei schoss ihr ein feiner, schriller Schmerz durch die Hüfte. „Was hat er denn gesagt?“
Uschi klang verschreckt. „Ich soll zum Polizeipräsidium kommen, weil er noch ein paar Fragen hat.“
„Jetzt reg dich nicht auf, das ist doch völlig normal.“
Uschis Stimme wurde höher, irgendwie kindlich. „Kannst du bitte trotzdem mitkommen?“
Ja, das hatte Simone geahnt. Sie seufzte. „Ist gut. Aber ich mache gerade ein Päuschen ... hol mich doch in `ner halben Stunde ab, ok?“
Sie beendete das Gespräch, legte sich ganz auf die Couch, vorsichtig, damit die Hüfte nicht wehtat, und überlegte, was der Kommissar wohl von Uschi wollte. Und wie man am effe ktivsten mit ihm umging, denn für weibliche Reize war er nicht unempfänglich, das hatte sie gemerkt.
Und so legte sie eine Viertelstunde später ordentlich Make-up auf und erntete, als Uschi sie a bholte, ein paar missbilligende Blicke.
„Was ist?“
„Du siehst aus, als wolltest du in die Disco gehen oder so“, traute sich Uschi zu bemerken.
„Mit voller Absicht! Und du siehst aus, als kämst du gerade vom Putzen!“
„Stimmt ja auch.“ Uschi strich sich die knapp schulterlangen Haare hinter die Ohren, damit die hässliche Narbe schön zur Geltung kam.
Simone schüttelte den Kopf. „Du bist echt die schlechtest angezogene Frau seit Aschenpu ttel! Komm, lass uns fahren.“
Unterwegs versuchte sie ihre Freundin von ihren ängstlichen Gedanken abzulenken, indem sie ihr vorschwärmte, wie sich Uschi durch diverse Diät-, Gymnastik- und Kosmetikmaßna hmen vom Spatz zum Schwan
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