Im Keller
hatte. Oder sich über ihre körperlichen Unzulänglichkeiten ausließ.
Nach gefühlten Stunden des Schweigens, in denen sich auch niemand bewegt zu haben schien, ertönte von schräg hinter ihr Arthurs Stimme.
„Ok, du wirst ja doch keine Ruhe geben. Also Mäuschen, ich erzähle dir jetzt mal was: es war vor 27 Jahren, ja, das werde ich nie vergessen, ich war gerade 15 geworden und hatte schon seit Monaten so ein Ziehen im linken Backenzahn unten. Aber in dem Alter ignoriert man das gerne erst mal.“ Arthur legte eine Hand auf ihren nackten Rücken und fuhr sachte auf ihrer Haut auf und ab. „Natürlich wurde es immer schlimmer, es tat höllisch weh, wenn was vom Essen drankam ... oder kaltes Wasser. Meine Mutter bekam das mit und schickte mich zum Zahnarzt. Und der Kerl ist schuld an allem! Das war so ein Klempner, null Fingerspitzengefühl, null Mitleid, der klopfte mit so einem Metallding ein paar Mal gegen den Zahn, ich kann dir sagen, wenn ich damals schon eine Waffe gehabt hätte, ich hätte dem Typ das Gehirn weggepustet! Ich mache es kurz: er meinte, da müsste der Nerv gezogen werden, und das versuchte er dann auch zwei Stunden lang. Und weil die Betaübung gar nicht so lange anhielt, musste er immer wieder nachspritzen. Mein Gott, das war eine Erfahrung!“
Arthur machte eine kurze Pause, seufzte schwer und legte sich (Claudia schaute gerade über die Schulter und traute ihren Augen nicht!) zwei Finger aufs linke Handgelenk, als müsse er seinen Puls kontrollieren.
Dabei erzählte er weiter. „Als ich wieder zu Hause war, hab ich mich in mein Zimmer verkrochen, mich ausgeheult und tagelang Schmerztabletten geschluckt. Meiner Mutter hab ich erzählt ich, alles sei prima, denn zu dem Arzt wär ich ums Verrecken nicht noch mal gegangen!“ Er gab Claudia zwei Küsschen auf den Rücken. „Der Zahn beschloss dann ein Jahr später, von alleine abzusterben, und seitdem hab ich ... na ja, Angst kann man das gar nicht nennen, das ist mehr so ... ich weiß nicht ... so ein Panikzustand ... so ein Grauen, völlig irrational, ich weiß. Und das, wo wir Männer doch sonst immer so rational sind.“
Claudia drehte sich um, sie sahen sich an, mussten lachen. Sie ließ sich zurück neben ihn si nken und küsste ihn auf die leicht stoppelige Wange.
„Eine sehr rührende St ory. Aber nenn mich nie wieder ,Mäuschen‘!“, drohte sie und packte die Krankenschwester aus. „Du kannst doch die Arbeitsweise eines Arztes von vor 27 Jahren nicht mit der von heute vergleichen!“
„ Sagte ich nicht gerade was von ,irrationaler Panik‘?“
„Ja, ok, aber wie wär’s mit einer Vollnarkose? Da kriegst du doch von der Sanierung gar nichts mit.“
„Es sind schon etliche Leute an ,Vollnarkose‘ gestorben.“
„Und was, wenn du mal angeschossen wirst? Lässt du dich dann ohne Vollnarkose operi eren, du Held?“
„Natürlich nicht, aber das wär ja dann auch lebensnotwendig.“
„Aber die Zahnschmerzen, die du jetzt wahrscheinlich hast, hältst du tapfer aus?“
Arthur klang leicht genervt. „Wenn’s zu schlimm wird, nehm ich halt ab und zu zwei Table tten.“
Claudia schüttelte unwillig den Kopf. „Ich kann dir sagen, wohin das führt: du schluckst i mmer mehr Schmerztabletten und machst dir irgendwann die Leber oder die Nieren kaputt! Und dann musst du an die Dialyse ... wenn du nicht vorher schon an Herzversagen stirbst, denn chronisch entzündete Zähne können das Herz schädigen! Ganz abgesehen davon, dass du deine nächste Umgebung verpestest und von keiner Frau mehr geküsst wirst!“
Arthur studierte mit unbewegter Miene und zusammengekniffenen Lippen die Zimmerdecke und fühlte schon wieder mit zwei Fingern seinen Puls. Was wollte er damit sagen? Dass diese Unterhaltung nicht gut für seine Gesundheit war?! Sie musste eine weitere giftige Bemerkung loswerden. „Wenn du so besorgt um dein Herz bist, solltest du vielleicht vo rläufig auf jede Art von Sex verzichten!“
War sie zu weit gegangen? Plötzlich nämlich richtete er sich auf, meinte „Ich muss mal aufs Klo“, stand auf und eilte auf nackten Füßen und in seiner schwarzen Unterhose davon.
Er blieb sehr lange im Bad. Heulte er sich aus? Verprügelte er den Wäschekorb? Überlegte er sich, was er auf Claudias Vortag antworten sollte? Oder litt er unter Verstopfung, was au fgrund der schlechten Zähne kein Wunder gewesen wäre?
Eine Viertelstunde später stand sie auf und fing an, das Frühstück vorzubereiten. Vielleicht war
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