Im Keller
von langen, dunklen Haaren verdeckt.
Ohne dass sie darum gebeten hätte, kam ihr ein Komme ntar ihrer Mutter in den Sinn. ,Kind‘, hätte sie gesagt, ,du kannst doch nicht gleich am ersten Abend mit einem Kerl ins Bett steigen! Der hält dich ja für eine Nutte!‘
Heute, im gestandenen Alter von 43, lachte sie über so lche Warnungen. Was sie ärgerte, war die Tatsache, dass der Spruch immer noch in ihrem Unterbewusstsein gespeichert war! Claudia drehte sich zum Fenster, wo durch einen schmalen Spalt zwischen den rostbraunen Übergardinen schon helles Tageslicht fiel.
Anscheinend konnte man regelrecht pr ogrammiert werden von anderen Menschen ... ja, wie von ihrem Vater, der ihr, als sie 14 war und zum ersten Mal einen Minirock trug, anvertraute, sie habe X-Beine. Seither hatte sie keinen kurzen Rock mehr angezogen.
Hinter ihr wälzte sich Arthur mit grunzendem Schnarcher um, während sich in ihrem Hinte rkopf fröhlich weitere Sprüche und Ratschläge ihrer Mutter abspulten: lass dich nicht leichtfertig mit Männern ein; denk an deinen Ruf; pass auf, dass du nicht schwanger wirst; sei immer und unter allen Umständen lieb, höflich und respektvoll; Leben heißt leiden, also rechne immer mit dem Schlimmsten, dann wirft es dich vielleicht nicht ganz so heftig um, oder, mit anderen Worten: ängstige und sorge dich von morgens bis abends, denn alles, was schiefgehen kann, geht auch schief, besonders, wenn du Kinder hast.
Claudia gähnte und zog die Decke ein Stück höher.
Inzwischen hatte sie natürlich viel von dem Mist aus ihrem Hirn geschmissen - hatte sie gedacht. Und dann tauchte genauso unerwartet wie unerwünscht irgendein Spruch, eine Warnung wieder auf, wie eine Wasserleiche an der Oberfläche eines Sees. Und dazu der ketzerische Gedanke: vielleicht hat die Mutter ja gar nicht so Unrecht damit.
Denn wie würde es wohl mit Arthur laufen?
Süß fand sie ihn und attraktiv, er hatte so eine forsche, positive Art, die sie anzog, und er war weder der große Schweiger noch der ständige Schwätzer, man konnte sich richtig gut mit ihm unterhalten. Ja, das war das eine. Das andere waren seine Fragen bezüglich seiner ach so gefährdeten Gesundheit (welches Programm von früher mochte da wohl in seinem Kopf ablaufen?), und manchmal (mindestens einmal!) hatte er ein klein bisschen von oben herab über den Beruf der Krankenschwester gesprochen.
Vermutlich hätte er sich lieber mit einer echten Ärztin eingelassen. Oder auch nicht. Claudia glau bte nämlich nicht, dass er zu den ungefähr 0,000001 % der Männer gehörte, die eine Frau an ihrer Seite zu schätzen wussten, die mindestens genauso klug war wie sie - und auch noch mindestens genauso viel verdiente! Nein, so einer war er nicht.
Aber vielleicht irrte sie sich. Jedenfalls war er einfühlsam und leidenschaftl ich. Warum das nicht einfach genießen, so lange es anhielt? Vielleicht, weil einem das niemand beigebracht hatte?
Während ihr all das durch den Kopf ging, döste sie noch einmal ein. Bis sie plötzlich spürte, wie eine Hand über ihren Körper wanderte. Sie drehte sich um und sah direkt in Arthurs schwarze Augen. Verlangen glühte darin. Oder war es ihr eigenes, das sich widerspiegelte?
Sie schlangen sich umeinander, und sie ließ sich von Arthur überallhin küssen, nur nicht auf den Mund. Denn da gab es ein kleines Problem, auf das sie ihn im passenden Moment würde ansprechen müssen. Eine halbe Stunde später lagen sie entspannt nebeneinander, und Claudia hielt den Zeitpunkt für gekommen, mit Arthur ein offenes Wort zu reden.
„Ach Arthur“ , seufzte sie, „das war ja der reine Wahnsinn! Entweder bist du ein Naturtalent, oder du hast schon jede Menge Erfahrungen mit Frauen gesammelt.“
„Das möchtest du wohl gerne wissen.“ Und da war es wieder: dieses komisch verkrampfte Lächeln.
„Nein. Eigentlich möchte ich wissen, ob dir gerade nichts aufgefallen ist?“
Das Lächeln verschwand. „Wie meinst du das?“ Seine Hand löste sich von ihrer Hüfte.
Jetzt ganz, ganz vorsichtig vorgehen. Claudia setzte sich auf und schaute Arthur nicht an, als sie weiterredete. „Vielleicht ist dir aufgefallen, dass ich dich nicht so gerne auf den Mund küsse. Kannst du dir denken, warum?“
Wie würde er reagieren? Fast rechnete sie damit, dass er wortlos aufstand, sich anzog und für immer aus ihrem Leben verschwand. Oder dass er laut wurde und sich über ihre Unverschä mtheit aufregte, nachdem er ihr doch so viel Vergnügen bereitet
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