Im Keller
wohnt, egal, was die anderen sagen! Wir verstehen uns gut, er geht jetzt studieren, ich wasche und koche für ihn, wir fahren zusammen zum Einkaufen. Und wir können gut leben von meiner Rente und von dem, was Martin für die Firma abbezahlt. Und dann haben wir ja noch die Mietei nnahmen aus dem Zweifamilienhaus, das Clemens gekauft hat.
Das ging mit den Lobeshymnen auf Clemens so weiter, bis die Mutter auf einmal andere Töne anschlug. Anscheinend war ihr verwöhnter Sohn doch nicht so wild aufs Studieren, wie sie und er gedacht hatten.
Ach Gott, Theo, ich weiß nicht, ob ich nicht einen Fehler gemacht hab heute morgen. Manchmal denke ich, pass bloß auf, dass du keine verbitterte, alte Frau wirst! Aber vielleicht ist es schon zu spät.
Um 11 Uhr wollte ich Clemens aus dem Bett werfen, damit er mal wieder zur Vorlesung geht, aber er blieb liegen und schnauzte mich an, er hätte keine Lust, sich tot zu arbeiten, so wie du, Theo. Da hab ich rot gesehen und zurückgeschnauzt: Dein Vater hat sich nicht tot gea rbeitet, es hat ihm das Herz gebrochen, dass sein einziges Kind sein Lebenswerk nicht weiterführen wollte!
Mein Gott, du hättest sein Gesicht sehen sollen! Jedenfalls springt er aus dem Bett und brüllt: So was sagst du nie wieder zu mir, hörst du, nie wieder! Ich dachte, er schlägt mich ins G esicht! Ich bin aus dem Zimmer gelaufen, und ich war so fertig, Theo, was hab ich geheult!
Clemens ist nach unserem Streit irgendwann aus dem Haus gegangen und hat sich zwei Tage nicht sehen lassen. Ich hatte solche Angst um ihn. Dann kam er nach Hause und hat fürchte rlich gestunken, nach Schmutz und nach Alkohol.
Aber er hat nichts gesagt, und ich auch nicht. Er redet überhaupt nicht mit mir.
Na also, da kam er ja zum Vorschein, der Clemens, den alle kannten und liebten. Arthur machte sich eine Notiz und las weiter.
Lieber Theo, du weißt sicher, was in den letzten Monaten passiert ist, und es tut mir so leid, dass du das mitansehen musst. Unser Clemens hat das Saufen angefangen, liegt bis mittags faul im Bett, hat keinen Respekt mehr vor mir und wirft unser Geld zum Fenster raus.
Er hat sich einen Farbfernseher und so einen neumodischen `Videorekorder´ gekauft. Und natürlich ein neues Auto. Ich hab ihn gefragt, woher er das Geld hat, aber der Junge redet nicht mit mir, er schreit mich nur noch an. Ich soll meine Nase nicht überall reinstecken, ich wär eine hysterische Kuh, er würde sowieso bald ausziehen, damit er meine Fresse nicht mehr sehen muss!
Kannst du dir vorstellen, dass jemand so mit seiner Mutter redet?! Außerdem bin ich sicher, dass er an meine Geldbörse und an mein Konto geht und mir Geld klaut, jedenfalls muss ich mit immer weniger auskommen!
Manchmal, wenn er abends sternhagelvoll nach Hause kommt, verstecke ich mich, und nachts schließe ich meine Schlafzimmertür ab. Oh mein Gott, was ist nur aus uns geworden!
In diesem Tonfall lamentierte Carmen Elisabeth zwei Seiten lang weiter, bis schließlich Uschi (damals noch Trieblitsch) ins Leben der Kirchfelds trat.
Danke Gott, danke Theo, ihr habt ein Wunder vollbracht! Gestern hat mir Clemens ein Mädchen vorgestellt, das er kennen gelernt hat: ein liebes, etwas naives Mädchen von 18 Jahren, hübsch und zart, ein Heimkind ohne Schulabschluss, aber er ist total verknallt, wie man heute sagt. Ich glaube, jetzt wird alles gut! Clemens trinkt kaum noch und benimmt sich wieder halbwegs freundlich zu mir. Sie reden sogar schon von Hochzeit, wie ich mich freue!
Arthur schüttelte den Kopf. Seit wann wendete eine Hochzeit alles zum Guten? Polizei- und Gerichtsakten waren voll mit Beweisen für das Gegenteil. Er telefonierte mit der netten Pra ktikantin und ließ sich noch einen Kaffee bringen.
Dann versenkte er sich wieder in Mutter Kirchfelds Berichtheft. Clemens heiratete seine Uschi, warf ein Ehepaar wegen Eigenbedarfs aus der oberen Wohnung des Zweifamilienha uses, zog mit Uschi dort ein, schickte sie zur Arbeit in den nächsten Supermarkt und machte weiter Schulden.
Arthur las erneut quer und blätterte sich großzügig durch die Seiten (die Jahre vergingen, und es änderte sich kaum etwas), bis sein Blick an einer bestimmten Stelle hängenblieb, an einem Namen: Martin.
Martin war heute Morgen bei mir und hat mir Sachen erzählt, Theo, das glaub ich ja nicht! Erst mal stand unser schönes Mietshaus kurz vor der Versteigerung, weil Clemens schon einen Kredit darauf aufgenommen hatte und praktisch zahlungsunfähig war. Also hat er vor
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