Im Keller
absetzen musste, und dann fing sie an zu weinen, und ich dachte, die läuft mir jeden Moment weg. Also hab ich mich neben sie aufs Sofa gesetzt und sie in den Arm genommen.
Und das arme Mädchen hat geheult und geheult und gezittert und war kaum zu beruhigen. Und ich wusste ja gar nicht, was los war.
Ich hab ihr übers Haar gestreichelt, das auch irgendwie stumpf und dünn war, und hab ihr beruhigende Worte ins Ohr geflüstert, und vielleicht eine Viertelstunde später hörte sie auf zu weinen, nachdem sie ein ganzes Päckchen Tempo verbraucht hatte.
Bist du traurig, weil du gerne ein Kind haben möchtest, und Clemens will nicht? fragte ich ganz vorsichtig, nahm ihre Hand und tätschelte sie ein bisschen. Ich glaube, so viel Zuwe ndung war sie gar nicht gewohnt, sie sah mich mit roten, verquollenen Augen an und schluchzte noch einmal auf.
Dann schwieg sie ein Weilchen und piepste plötzlich: Ich bin im 4. Monat schwanger.
Ich wollte mich gerade furchtbar freuen, dass endlich ein Enkelchen unterwegs war, als ich misstrauisch wurde. Willst du das Kind etwa nicht? meinte ich in entsetztem Ton, aber sie riss die Augen auf, in die schon wieder Tränen schossen, und wimmerte: Doch, ich möchte so gerne ein Kind, aber Clemens wird es wieder totmachen! Das hat er gesagt!
Ich saß erst mal nur völlig entgeistert da und dachte: was redet die denn für einen Unsinn?! Nimmt die Drogen?! Ist die übergeschnappt?!
Aber auf einmal fing sie an zu erzählen, es lief aus ihr heraus wie Wasser aus einem vollen Eimer: Clemens weiß nicht, dass ich wieder schwanger bin, ich will es verstecken, so lange es geht. Beim ersten Mal hat er’s fast bis zum Schluss nicht gemerkt, er hat immer gesagt, von so einer blöden Tussi will er kein Kind. Als er’s dann gemerkt hat - vor zwei Jahren war das -, da hat er mich angebrüllt und geschlagen und getreten und mir gedroht. Er wollte das Kind nicht.
Die letzten Wochen durfte ich nicht mehr arbeiten und nicht mehr aus dem Haus gehen. Ic h musste das Kind in unserem Bett zur Welt bringen, ganz allein ... es war so furchtbar. Er hat das Baby mitgenommen, und ich hab es nie mehr gesehen.
Ein halbes Jahr später war ich wieder schwanger, und ich hab’s ihm wieder nicht gesagt. Ich wollte das Kind unbedingt haben, aber dann hat er’s doch gemerkt, und dann hat er mich ... er hat mich in einen kleinen, scheußlichen Raum gesperrt, in deinem Keller, ja, hier im Haus, in deinem Keller! Er hat mir irgendwelche Tabletten gegeben, ich war ganz benebelt, es war nachts, und du hast nichts gemerkt.
Er muss immer nachts gekommen sein und hat mir was zu essen und zu trinken gebracht und diese Tabletten. Ach Gott, es war so schrecklich! Dann kam das Kind, und keiner war da, und ich dachte, ich muss sterben! Clemens hat es mir weggenommen, und ich weiß nicht, was er mit ihm gemacht hat!
Arthur wusste es. Er hielt einen Moment inne und fragte sich (wie wohl jeder logisch und vernünftig denkende Mensch), warum Uschi die Polizei nicht eingeschaltet oder sonstwie Hilfe geholt hatte, warum sie ihrem Clemens nicht wenigstens davongelaufen war. Er las we iter.
Das Mädchen fing an zu weinen. Und jetzt bin ich schon wieder schwanger, im 4. Monat, was soll ich nur tun!
Ich war noch wie vor den Kopf geschlagen von dem, was sie erzählt hatte, ich mochte es fast nicht glauben, aber dann hielt ich sie fest und tröstete sie und empfahl ihr, Clemens zu verlassen. Aber da wurde sie richtig hysterisch. Nein, schrie sie, der bringt mich um! Er hat gesagt, er findet mich überall!
Ich bot ihr meine Hilfe an, aber davon wollte sie nichts wissen. Du kannst nichts gegen ihn tun, der bringt dich auch noch um!
Ich wollte sagen, das ist doch Unsinn ... aber Theo, auf einmal dachte ich, ja, das würde Clemens vielleicht wirklich tun. Wenn er denn tatsächlich zwei Babys auf dem Gewissen hatte. Ich war erschüttert über diesen Gedanken. Und wie unglaublich unverfroren, Uschi in meinem Keller einzusperren! Und ich hab nichts mitbekommen!
Eine Weile schwiegen wir beide. Irgendwie konnte man gar nichts mehr sagen vor Entse tzen.
Doch ich hatte noch Zweifel, und ich hatte noch Fragen. Also fragte ich Uschi, warum sie nicht verhütet habe, und wieso Clemens bis fast zum Schluss nichts von den Schwangerscha ften gemerkt hatte. Ich weiß nicht, ob sie mir diese Fragen übel nahm, aber sie schaute weg, als sie mir antwortete.
Ach, Clemens hat doch jede Menge andere Weiber, der kommt doch höchstens zweimal im Jahr in mein
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