Im Kettenhemd (German Edition)
Wirren des Krieges all seine Habe verlor. Als seine Güter gebrandschatzt wurden und die Marodeure alle Besitztümer seiner Familie raubten, verlor er auch seine zwei Brüder. Trotz verzweifelter Gegenwehr, konnten sie nicht gegen die Übermacht dieser normannischen Spießgesellen bestehen. Wäre der Chevalier an diesem Tage nicht zu einem Lehensbruder gereist, hätte er mit seinen Getreuen den Überfall zu einem Desaster für diese Kerle werden lassen. Sie hatten seine Brüder an einer der vielen Weiden aufgeknüpft, die den Weg zum Lehen derer de Petijons säumten. Der Jüngste von ihnen war damals noch keine achtzehn Jahre alt und in seinem Ungestüm einem erfahrenen Kämpfer nicht gewachsen. Der Chevalier war einer von jenem Holz, die es ihren Vorfahren schulden, die Ehre der Familie zu bewahren. Jeder getötete Engländer stillte seinen Rachehunger und den seiner Vorfahren.
Im Lager der Engländer fanden sich auch noch einige Fässer Gin und Branntwein. Die erbeutete Verpflegung kam den Français gerade recht, und so fand ein Tag voller Leid und Blut, Schmerzen und Hoffnung einen leidlichen Ausklang, denn nur mit vollem Magen kann man Neues wagen.
Als sich gerade so etwas wie Besinnung nach dem Kampfe eingestellt hatte und sich jetzt erst einige Verletzungen bei dem einen und anderen zeigten, sprengte ein Reiter heran, der Nachricht für den obersten Befehlshaber brachte. Der Mann hatte sein Pferd zuschanden geritten, um die Nachricht schnellstens überbringen zu können. Er sprang herab und war kaum zu beruhigen. Erst als er vor de Dijon stand, gewann er seine Fassung zurück. Er war von der Kampfeinheit, welche die Kutsche der Engländer hatte verfolgen und stellen sollen.
Er kniete nieder und überreichte eine Schriftrolle. Diese war mit dem Siegel des Earl of Northampton versehen.
Rainier de Dijon beeilte sich das Siegel zu brechen, um den Inhalt zu lesen. Die Schrift enthielt Befehle und Anweisungen sowie eine Aufstellung der geraubten Schätze. Hier fand sich auch der Befehl zur Tötung der in der Burg festgehaltenen Gefangenen im Falle des Sieges der Franzosen.
»Wie hast du diese Schrift erlangt?«, fragte der Feldherr.
»Nun, Mon Seigneur«, entgegnete dieser, »wir verfolgten diese Kutsche im gestreckten Galopp. Die hatten schon einen guten Vorsprung, waren aber durch die Kutsche im Nachteil. Nach einiger Zeit sahen wir die Staubwolke weit vor uns. Wir trieben die Pferde an und kamen der Kutsche wieder ein Stück näher. In der Ferne konnte man schon die Umrisse vom Chateau erkennen. Als wir uns weiter näherten, wendeten die Reiter der englischen Eskorte ihre Pferde und stürmten uns entgegen. Wir waren zu zehnt und die ebenfalls. Sie hatten die Lanzen eingelegt und wir nur Blankwaffen. Der Kampf war ungleich, und so gerieten wir schnell in Bedrängnis. Ich konnte mit Bernard dem Angriff ausweichen und wir verfolgten die Kutsche weiter. Als wir sie schließlich erreichten, schoss man mit einer Armbrust auf uns. Bernard sank getroffen vornüber. Ich erreichte alsbald die Kutsche und stach mein Schwert von außen hinein. Mit Glück hatte ich den Kerl darin verletzt, aber der Kutscher trieb weiter die Pferde an. Die Kutsche war schwer beladen und die sechs Pferde hatten ordentlich zu tun. Ich konnte auf die Kutsche springen und dem Kerl darinnen schließlich dieses Schreiben abnehmen. Er könnte damit sowieso nichts mehr anfangen, denn er ist tot.«
»Warum hast du die Kutsche nicht in deine Gewalt gebracht?«, wollte de Dijon wissen.
»Als ich das Schreiben hatte, schaute ich nach dem Kutscher und sah, dass einige englische Ritter uns verfolgten. Ich kam mit Glück wieder auf mein Pferd und ritt seitwärts davon. Sie verfolgten mich nicht, aber außer mir kam keiner unserer Männer mit dem Leben davon.«
»Gut gemacht«, sagte de Dijon. »Erheb dich, wie ist dein Name?«
»Ich bin Jean Lagere, ein Gefolgsmann des Grafen von Nagelli«, sprach der tapfere Kerl.
»Gute Leute hat dein Fürst. Dafür bekommst du zehn Goldstücke, und lass dort drüben deine Wunde verbinden.« Ein Stück weiter hatte man schon begonnen, die Verwundeten zu versorgen, wo sich der Leibarzt des Feldherrn auch sogleich des Mannes annahm.
Die Schilderung dieses tapferen Kerls hatten alle gehört, und sie wussten nun, dass sich alles Gold in der Burg befand.
»Mit Eurer Erlaubnis«, sprach Dietrich, »müssen wir verhindern, dass die Schätze per Schiff nach England verbracht werden.«
»Richtig, Baron von Seidenpfad«, entgegnete
Weitere Kostenlose Bücher