Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
Vom Netzwerk:
prüfen sollte, heruntergekommene Räume, die über dem Hauptsitz einer Herstellungsfirma von Umstandskleidern und neben einer privaten Familienklinik lagen – sehr passend, zu komisch, fand Mary. Ihre Aufgabe: Begutachtung der Räume zum Zwecke der Verteilung von Geldern und Zusammentreffen mit den-220
    jenigen Mitarbeitern, die für eine Auszeichnung vorgeschlagen worden waren. Und dann, verdammt, verdammt, verdammt, zurück in die eigene leere Wohnung oder zum nächsten ähnlich gearteten Termin. Mary war die treuhänderische Verwaltung des Fonds übertragen worden, in den sämtliche Spenden flossen, die ohne nähere Angabe
    »wohltätigen Zwecken« zugedacht waren und über deren Verwendung Mary und andere nach eigenem Gutdünken entschieden. Mary genoß die Macht über anderer Leute Geld sehr. Im Augenblick jedoch hatte sie ausgerechnet mit Kindern nicht mehr viel im Sinn –
    eine Nebenwirkung des Notstands ihres Hormonhaushalts vielleicht, oder der Begegnung mit Katherine zuzuschreiben. Kinder waren doch nichts anderes als Monster in Miniaturform; es waren eigentlich die Erwachsenen, die geschützt werden müßten.
    Zu den beiden vollgestopften Räumen gelangte man über eine knarrende Treppe. Die beengten Verhältnisse waren ohnehin nur deshalb tragbar, weil die meisten Mitarbeiter ständig unterwegs waren.
    Teambesprechungen mußten im Pub abgehalten werden, ansonsten benutzten sie die zwei Schreibtische und fünf Stühle umschichtig.
    Die Möbel trugen Spuren von Mißhandlung, ein Leck in der Decke war notdürftig abgedichtet. Die Großstadthitze hatte sich unterm Dachstuhl gestaut, stickige Luft wurde von einem altersschwachen Ventilator umgerührt. Als Mary die Treppen hinaufstieg, hörte sie eine bettelnde, nörgelnde Männerstimme.
    »Nun komm schon, du wirst doch eine kleine Katze unterbringen können. Nur eine. Schau sie dir doch wenigstens mal an. Putzig, ich kann ihnen stundenlang zusehen. Unwiderstehlich, glaub mir. Sie sind bildhübsch.« Die Stimme geriet ins schwärmen.
    »Wieso willst du sie dann überhaupt loswerden?«
    »Will gar nicht, wenn du’s genau wissen willst, aber was soll ich machen? Es sind fünf, weißt du, und die wuseln überall herum.
    Wenn ich sie nicht gut unterbringen kann, behalte ich sie. Am besten gefällt mir ja die eine getigerte…«
    Mary blieb einen Moment draußen neben der offenen Tür stehen, beobachtete und lauschte, ohne daß man sie sehen konnte.
    »…noch dazu mit Weiß, mit so Wassermelonenstreifen. Ich habe Kat in Verdacht, es gleich mit mehreren getrieben zu haben.« Eine 221
    Frau kicherte. »Loses Frauenzimmer«, fügte die Männerstimme stolz hinzu.
    Mary erspähte einen langen, dürren Kerl, der wie ein Schluck Wasser auf der Kante eines zerschrammten Schreibtisches hing und sich mit einer unscheinbaren Frau von etwa fünfzig müden Lenzen unterhielt. Ein nervöser Tick im Gesicht, den Mary von der Seite wahrnahm, ließ sein Grinsen – selbst im Profil – leicht blöde erscheinen.
    Katzen! dachte Mary erbost. Ein bezahlter Mitarbeiter lümmelte auf einem Schreibtisch herum und vergeudete einen Nachmittag mit Geschwätz über Katzen. Mary haßte Katzen. Sie erinnerten sie an Katherine in ihrer anschmiegsamsten Kätzchenlaune. John Mills erhob sich just, als Mary angewidert das Gesicht verzog. Er sah sie hinter der Tür stehen und eilte schlurfend und schlingernd auf sie zu, Bewegungen ohne jede Anmut.
    »Nanu«, ahmte er den strengen Gesetzeshüter nach, »wer sind denn Sie?«
    Die Sekretärin stupste ihn warnend an, Besorgnis legte sich auf ihre gutmütigen Gesichtszüge. »Das ist Miss Fox«, sagte sie hastig. »Die sich bei uns mal umsehen will.«
    »Aha«, meinte John unbeeindruckt und grinste breit, ein Anblick, den Mary noch abstoßender fand als die Kummermiene mit dem nervösen Zucken. »Sie haben nicht zufällig Interesse an einem jungen Kätzchen?«
    Er streckte ihr die Hand entgegen, richtete sich zu seiner vollen, schlaksigen Größe auf, bis er Mary überragte wie ein windschiefer Obelisk. Haarfarbe und Teint erinnerten Mary an Claud, aber das war auch die einzige Ähnlichkeit. Ein schlecht zusammengefügter Körper, abfallende, schmale Schultern, Bauchansatz, spindeldürre Beine
    – alles, was ihr an einer Männerfigur mißfiel, war hier vereint. Dann schon lieber die dralle Leibesfülle des bon vivant und nicht so ein mickriger, birnenförmig ausgebeulter Unterbauch. An diesem Menschen war gar nichts Festes, Kräftiges, war alles

Weitere Kostenlose Bücher