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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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und Bein gegangen, als wäre es ihr eigenes Haar gewesen. Trotz der auf dem Küchenboden liegenden Pracht, der größten Zierde dieses unansehnlichen Kindes, lächelte es immer noch tapfer. Instinktiv lächelte auch Katherine, lächelte ihr verzweifelt zu, um ihr Mut zu machen. Dennoch faßt sie sich unwillkürlich selbst an den Kopf.
    »Und morgen bin ich dran«, sagte sie. Der rettende Einfall. »Ach, das sieht hübsch aus. Fühlt sich das gut an?« Jeanetta schüttelte heftig den Kopf. Eine lose Strähne gesellte sich zum beängstigend tot aussehenden Haufen auf dem Boden. Unschlüssigkeit stand der Kleinen ins Gesichtchen geschrieben: weinen, lächeln, laut heraus-prusten vor Lachen, was war jetzt das beste? Wie konntest du nur!
    wollte Katherine schreien. Wie konntest du das tun! Warum, warum, warum?! Am liebsten hätte sie gespuckt und gekratzt ob der uner-warteten, verrückten Gewalttätigkeit des Mannes, der da unbeeindruckt stand und zufrieden lächelte, wie über gute, ganze Arbeit. Ihr war, als hätte sie einer Vergewaltigung beigewohnt. Tränen brannten ihr in den Augen. Dann kam ihr eine weitere Zeitschriftenweisheit in den Sinn, die besagte: »Wenn man selbst die Fassung verliert, wirkt 58
    das ansteckend, verschlimmert alles.« Emotionsgeladene, explosive Situationen mußten entschärft werden. Alles um des lieben Friedens willen! Und vielleicht täuschte sie sich, vielleicht war sie überemp-findlich, wenn sie das Scheren obszön fand. Nie war sich Katherine sicher, ob sie ihrem Gefühl trauen konnte, also lächelte sie ihr starres Lächeln, bis – ganz allmählich – die Kleine ihrem Beispiel folgte, ihr Lächeln erwiderte, unsicher zunächst, stoisch. Das alles ereignete sich innerhalb einer Minute.
    »Kekse?« fragte Jeanetta hoffnungsvoll.
    »Papa gibt dir welche.« Die Worte waren eine Herausforderung, doch sie sah ihn dabei nicht an. Jeanetta rannte zur Mama. Mutter und Tochter kehrten ihm den Rücken zu. Kekse wurden hervorgezaubert, und während Katherine ihre Tochter umarmte, ohne durch übertriebenen Druck signalisieren zu wollen, daß es sich um eine brisante Situation handelte, fragte sie sich, wo die Kekse bloß so rasch gefunden worden waren.
    »Wollen wir es noch auf die gleiche Länge schneiden, um einen Topf herum?« hörte sie hinter sich David fragen. Eine Hand stellte, ziemlich heftig, zwischen ihnen einen Teller Kekse ab.
    »Nein, ich denke nicht.« Sie beobachtete Jeanetta. »Es ist Zeit für’s Bett, mein Schatz. Du hättest nicht aufstehen dürfen.« Der letzte Satz kam von Herzen, war der einzige Hinweis auf ihren Zorn. Das Kind nickte, strahlte jetzt über beide Keksbacken, griff sich noch drei und wackelte dann in die Diele hinaus. Sie war es gewohnt, allein wieder ins Bett zu gehen. »Schlaf gut«, rief ihr Katherine noch nach. Tapsi-ge Kinderschritte, dann Stille. Katherine ließ sich auf ihren Stuhl fallen. Sie sah sich nicht um.
    »Haben wir die Weinflasche geleert, Liebling?«
    »Es ist noch mehr da.«
    Er klang ganz vergnügt. Sie brachte es nicht über sich, hinzusehen, als er die Locken von den blanken Marmorfliesen des Kochbereichs fegte. Sie hörte Wasser laufen, als er die Schere spülte und ihre Kopfhaut zog sich in Erwartung des Ratschens durch ihr eigenes Haar zusammen, markdurchdringendes Ratschen, das in ihren Ohren nachhallte. Er stellte für sich selbst ein frisches Glas perlenden Weißwein auf den Tisch, summte dabei eine Melodie, die ihr nicht 59
    bekannt war, und begann dann, das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen, diese Maschine, die ihr unbegreiflich war – nicht, daß sie nicht gewußt hätte, wie sie in Gang zu setzen war, sondern weil sie einfach nicht verstand, wie so ein Ding funktionieren konnte. An-heimelnde, häusliche Geräusche: keine Spur mehr von den Locken.
    Sie atmete tief durch, war froh um die alltäglichen Geräusche, die ihr Gelegenheit boten, des Gefühls eines bedrohlichen Entgleitens in totale Absurdität Herr zu werden. Zwei, drei Dinge wollten ihr nicht aus dem Kopf: die Frage, warum sie nicht rechtzeitig eingegriffen hatte, Dankbarkeit ob der Unversehrtheit des eigenen Haarschopfs und Erleichterung über die spielerische Komponente der Handlung, die das Ganze fast normal erscheinen ließ. Fang keinen Streit an, mahnte sie sich, er würde dich nicht ernst nehmen, und außerdem behält er immer Recht. Sie stierte auf das Weinglas, nahm einen großen Schluck. Vergessen, nur vergessen, egal wie, bitte.
    Er ging hinter

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