Im Kinderzimmer
gebändigten Mähne, die ihr über den Rücken fällt. Sie tafeln wie hohe Herrschaften ohne Dienstpersonal. Sieht aus, als gäbe es heute Fisch. Kein Wunder, daß sie so schlank ist –
Fisch und Salat, meine Güte! David Allendale steht auf, um etwas zu holen, streift das Fenster mit seinem Blick, kehrt mit einer weiteren wunderschönen Schüssel zurück, legt ihr im Vorbeigehen kurz die Hand auf die Schulter. Sie strahlt ihn an, ißt jedoch weiter – mit deutlich mehr Kunstfertigkeit als ihre Tochter. Eigenartig, daß die beiden Kinder so unterschiedlich geraten sind: der Junge dunkel wie der Vater, das Mädchen eine blonde Walküre mit rosigem Teint, viel heller als die warmen Pfirsichtöne der Mutter. Ob sie ihre Kinder als komplementären Kontrast entworfen haben, zu dem, den sie selbst bieten? Ich bin mir ziemlich sicher, daß er mich gesehen hat, aber so tut, als habe er nichts bemerkt; haßt ja ungebetenen Besuch. Im Hintergrund sehe ich die Flügelfenster zum Garten und den Erker, der als Kinderspielecke dient. Weit und breit kein Spielzeug.
Nein, wenn ich’s mir genau überlege, werde ich doch nicht klingeln. Ich trage immer noch mein Bürokostüm, da kann ich mich schlecht dazusetzen und mir an ihrem Gesundheitsaltar einen Wein kredenzen lassen. Außerdem könnten sie meinen, ich wäre einsam, 54
so ein Blödsinn. Sie wirken so zufrieden: er so aufmerksam, tätschelt ihr den Arm und so, das hat Klasse. Diese farbenprächtigen Blumen am Ende des Tisches, idealer Kontrast zu ihrem sandfarbenem Ensemble, Wicken in voller Blüte, dicht an dicht in einer schlichten Terrakottaschale. Wahrscheinlich hat er sie mitgebracht. Sie duftet gewiß dezent nach Parfüm, ich stinke dagegen vermutlich zehn Meilen gegen den Wind nach Gin. Ein andermal. Hoffentlich habe ich vorhin nicht die Haustür zu laut ins Schloß fallen lassen, schließlich sind wir eine vornehme Nachbarschaft, und ich bin in Hausschuhen losgelaufen. Hausschuhe zum Kostüm, also ehrlich! Meine liebe Katherine, darf ich dich bitten, morgen vorbeizukommen und mein Heim einer wundersamen Verwandlung zu unterziehen? Und mein unbedeutendes Leben gleich dazu? Daraus etwas Vollkommenes zu machen und aus mir ein hübsches Frauchen, wie du eines bist? Sebastian wäre begeistert.
Ich denke, ich sollte doch lieber umkehren. Ich bin längst nicht mehr so sauer wie noch eben.
Während Susan Pearson Thorpe sich in Richtung heimische Küche in Marsch setzte, löste sich das Tableau in der Küche ihrer Nachbarn plötzlich auf, so, als wäre eine Vorstellung zu Ende. David hatte im Vorbeigehen über Katherines langes Haar gestrichen, hatte ihr gegenüber wieder Platz genommen, wollte ihr Wein nachschenken.
»Danke nein«, murmelte sie verschämt und lächelte: »Ein Glas reicht, du weißt, wie rasch er mir zu Kopf steigt.«
»Mag aus dem Munde eines Ehemannes komisch klingen, mein Schatz, aber du siehst gut aus.«
Sie lächelte unsicher unter seinem prüfenden Blick, freute sich über das Kompliment, genierte sich etwas wegen der Förmlichkeit, als wäre er ein Fremder. »Vielen Dank, der Herr. Muß ich nun einen Knicks machen?«
»Ich habe den Eindruck, der gute Colin hat ein Faible für dich.«
»Ach, Unsinn.« Dennoch war die Vorstellung nicht unangenehm.
Sie machte sich in Gedanken eine Notiz; das konnte nützlich sein, irgendwann. Nicht als Waffe, sondern als angenehme Feststellung, an der sie dann und wann ihre Freude haben mochte, wie ein Kind an einem hübschen Spielzeug, das zu schade war, um es zu benutzen, 55
aber immer eine Augenweide. David sah sie unverwandt an, so durchdringend, daß ihr ungemütlich wurde. Schon ein einziges Glas Wein hatte bei ihr eine starke Wirkung, nach dreien verlor sie jede Zurückhaltung, »sternhagelvoll«, versicherte sie den Leuten, aber sie lachten bloß.
»Noch besser sähest du aus, wenn du dir eine weichere Frisur zulegen würdest. So wie du es jetzt trägst, wirkt dein Gesicht sehr schmal, fast streng.«
»Aha.« Unerklärlicherweise war sie enttäuscht. Er betrachtete sie wie eines seiner Projekte, abwägend, wie die Küchen, die er umge-staltete, deren Stil er veränderte, wie dieses Haus, das er unter ästhe-tischem Gesichtspunkt, mit kritischer Distanz sah, während sie es nur mit leidenschaftlichem Blick wahrnehmen konnte. »Ich will aber keine neue Frisur.«
»Mußt du auch nicht. Ich hatte nur eben an kürzere, lockige Haare gedacht, weißt du, einen Kopf voll lieblicher Locken.«
Sie dachte an
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