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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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und -dreck, hier gärte ein Wandel, der keine Besserung brachte. Er hatte die Wohnung damals, als er nach London gezogen war, genommen, weil nichts anderes zu kriegen gewesen war; jetzt blieb er aus Trotz. Aus-zuziehen hieße vor dem Kapitalismus in Gestalt des Hausbesitzers kapitulieren.
    Gurjat Singh war es mit Hilfe diverser guter Beziehungen und eines Bekannten beim Stadtplanungsamt gelungen, im Erdgeschoß einen fernen Verwandten als Pächter zu installieren, von dessen Küchendünsten er sich eine Beendigung des Mietverhältnisses im Obergeschoß erhoffte, während er zugleich den Profit einstrich. Als John jetzt die Haustür öffnete, schlug ihm der Geruch von Zwiebeln und Gewürzen entgegen, ob abklingender von gestern oder sich entwik-kelnder von heute war nicht auszumachen, drang ihm beißend in die Nase und ließ sich auch dann kaum abschütteln, als er die ausgetretenen linolbeklebten Stufen in den ersten Stock hinaufstieg, wo ihm weiteres Schlüsselgefummel Einlaß verschaffte. Die Anzahl der Schlüssel war beeindruckend und belegte eine gehörige Investition in Türschlösser – zuerst als Schutz vorm Eigentümer und dann nach einer Serie von Einbrüchen gegen neuerliche. War er voll auf seinem Unterdrückungs- und Ausbeutungstrip, dann hielt John es nicht für unwahrscheinlich, daß zwischen beiden ein Zusammenhang bestand, denn kein Einbrecher, der etwas auf sich hielt, würde sich dazu herablassen, diesen Ort – mit seinen steilen Treppen, seinen Ausdün-stungen und der mageren Beute – aufzusuchen. Das kümmerte die Einbrecher offenbar wenig.
    Zur Öffnung der Wohnungstür bedurfte es dreier verschiedener An-läufe: einen für das Yale-Schloß und je einen für die Vorhängeschlösser der Riegel oben und unten, die beide etwas zu dicht am Türrahmen angebracht worden waren und an denen er sich daher jedesmal die Knöchel aufschürfte. Bei der dritten Schlüsseldrehung hörte er Kat hinter der Tür miauen und am noch verbliebenen Tür-lack kratzen. Kat war ihnen durch eine Laune des Schicksals beschert worden, er oder sie verdankte den Namen Kat einer unersättlichen Gier nach Kitekat – und nichts anderem. Kein Whiskas, keine 94
    noch so leckeren Essensreste, kein gedämpfter Fisch oder sonstige Delikatessen, sondern einzig und allein Kitekat, ob frisch aus der Dose oder drei Tage alt, spielte keine Rolle. Nur der Geruch dieser speziellen Mischung, Pilzbefall hin oder her, reizte Kat. »Genau wie der Schnellimbiß«, murrte Matilda Mills. Quatsch, sagte John, der ihre tiefe Abneigung gegen Kat kannte – nicht gegen Kat direkt, sondern gegen das, wofür Kat stand: für ein verpfuschtes Leben in einer trostlosen Bruchbude.
    Den Namen Kat hatte Kat schon weg, noch ehe die beiden gelernt hatten, die armselige Kreatur, die sie geerbt hatten, mit besagtem Lebenselixier zu versorgen, denn Kat – dieses rabiate, halb verhun-gerte Kätzchen mit dem Stummelschwanz und der abgrundtiefen Menschenverachtung hatte wahrlich nichts mit normalen Hauskatzen gemein und schon gar nicht mit den fetten, behäbigen. Es war Matilda gewesen, die ursprünglich für die Adoption Kats gewesen war, sie hatte um sie gekämpft und gewonnen – eines von vielen Zugeständ-nissen –, aber sehr bald schon die Freude an ihrem Sieg verloren, als Kat mit sicherem Katzeninstinkt sich ganz dem Hausgenossen zuwandte, der zwar gegen sie gestimmt, dessen Gewissen jedoch anfälliger war: John. Die halbwilde Kat reagierte auf Matildas Annähe-rungsversuche überhaupt nicht. Sie erkannte dafür mit untrüglichem Gespür den wunden Punkt, das Mitgefühl des Hausherrn, der sie gar nicht gewollt hatte, und setzte ihre Katzenkarten lieber auf ihn als auf Matildas übertriebenes Werben um ihre Gunst. Kats Einschätzung erwies sich als gerechtfertigt: Nach nur drei Wochen in einer Wohnung, die für eine derartige Mitbewohnerin denkbar ungeeignet war, hätte Matilda das Tier am liebsten mit einem Fußtritt die steile Treppe hinab befördert. John nicht minder, doch weil er eben John war und nicht Matilda, tat er nichts dergleichen und verteidigte Kat gegen solcherlei Ansinnen. Zweimal war er aufs Dach geklettert, um Kat, die vor Fremden in der Wohnung geflohen war, zu retten. Obgleich John also an Kat nicht eigentlich besonders hing, jedenfalls nicht in für ihn erkennbarer Weise, hatte er sie nun einmal am Hals. Ähnlich erging es Mrs. Matilda Mills mit John. Sie hatte ihn eben am Hals, zermürbt wie sie war von Mitleid und Enttäuschung und

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