Im Kinderzimmer
wie ver-95
zweifelt auch immer auf der Suche nach einem Vorwand, ihn verlassen zu können.
Das war John auf dumpfe, resignierte Weise wohl klar, er verdrängte es bloß gründlich. Matilda, die einst seine Begeisterung für Politik und Popkonzerte geteilt hatte, der er jedoch nicht mehr das bieten zu können schien, was sie brauchte, was immer das war, hatte sich wieder verspätet. Na, wenn schon, da war ja immer noch Kat.
John schrubbte am Email der Spüle herum und spürte Kat um seine Beine streichen. Ihm fiel die erhabene Perserkatze ein, die er im Fenster des Hauses hatte sitzen sehen, an dem er fast täglich vorbeikam, dem, wo er mit der Alten gesprochen hatte, wie hieß sie gleich noch, Harrison. »So würdest du dich nicht aufführen, nicht?« meinte er zu seiner Arme-Leute-Ausführung. »Du dächtest gar nicht daran, dich still ins Fenster zu setzen wie eine Topfpflanze, oder? Nie im Leben.« Irre, wie außer sich er gewesen war, als Kat aufs Dach ent-wischt war. Er sah hinunter. Sie tigerte nervös umher, hatte den Freßnapf nicht angerührt. »Na, na. Was ist denn mit dir los? Eifersüchtig, daß ich über eine andere Katzendame rede?« Sie krallte sich in den Boden, drehte sich im Kreis, tänzelte nervös zur Holzkiste in der Ecke, in der er alte Zeitungsausgaben und Zeitschriften aufbe-wahrte, die seine Ansichten bestätigten. Dann kam sie zurückge-stakst, strich ihm wieder um die Beine, legte den Kopf zurück und miaute kläglich, wie bei extremem Hunger – eine Reihe erbärmlicher Schreie, die nochmals ertönten, als sie nun zur Kiste zurückstrebte, mit zum Buckel gekrümmtem Rücken und hoch erhobenem
Schwanz. John betrachtete den ihm zornig entgegengereckten After und fragte sich unvermittelt, ob sie Kats Geschlecht eigentlich je definitiv festgestellt oder immer nur angenommen hatten, sie wäre ein Weibchen. Dann dämmerte es ihm plötzlich, als er die rhythmi-schen Kontraktionen bemerkte. Und als Kat ihm abermals zwischen die Beine lief und er ihren geschwollenen Bauch spürte, kapierte er.
Er bücke sich, um sie zu streicheln, verfluchte sich für seine Be-griffsstutzigkeit, war gefangen von großer Sorge. Sie schrie und wand sich, als er ihre Zitzenmit den Fingern streifte. Seine Hand schnellte zurück, er schlug sich gegen die Stirn.
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»Ach, arme Kat!« murmelte er. »Wie hältst du es bloß aus bei uns zweibeinigen Ignoranten? Ja, ja, ist ja gut.« Er hockte sich neben die Holzkiste, warf wahllos Papier hinaus, ließ sich einen Augenblick lang ratlos auf die Sohlen zurücksinken. Die Kiste taugte nichts: die Seiten waren zu hoch, als daß Kat mühelos ein- und aussteigen konnte. Kopflos rannte er durch die Küche, griff einen flachen Pappkarton und stapelte darin Zeitungen, legte darauf drei saubere Staubtücher.
Kat sah ihm zu und kommentierte, Körperhaltung und Klagelaute ein einziger Protest. Doch sobald das Nest bereitet war, hüpfte sie hinein, scharrte und drehte sich und legte sich dann schließlich ausgestreckt auf die Seite. Ihr Bauch hob und senkte sich spastisch.
»Ja, ja«, redete John auf sie ein, »ist das nicht ein guter Platz zum Kinderkriegen? Ach, Kat, es tut mir ja leid, ich hätte es merken müssen. Was hältst du von etwas Milch? Nein?« Ihr stand nicht der Sinn nach Milch. Als er sie allein ließ, um die Milch zu holen, hob sie besorgt den Kopf, rief ihm hinterher und begann, aus der Kiste zu klettern. Sie will mich bei sich haben, dachte John verwundert. Sie will, daß ich bei ihr bleibe und ihr den Kopf streichele, wie eine Frau in den Wehen! Wie unendlich rührend, wie einzigartig, wie unglaublich wunderbar.
Ein flauschiges kleines Kätzchen rekelte sich auf den Steinplatten von Monica Neills Terrasse, die noch warm waren von der Sonne.
Das Kätzchen lag mit rudernden Pfoten auf dem Rücken, zeigte den hellen, weichen Bauch und schob den Unterleib hin und her. Katherine schaute gebannt zu, wenn auch etwas peinlich berührt, und staunte über die selbstvergessene Hingabe. Auf der Terrasse drängten sich die Gäste, und sie hatte schreckliche Angst, daß jemand auf das Kätzchen steigen und den nackten Bauch zertreten könnte. Es schüttelte sie bei der Vorstellung. Sie stupste das Junge sanft mit der Fußspitze an, mochte es nicht berühren, wollte jedoch, daß es sich in Sicherheit brachte. Sie hörte in ihrer Vorstellung schon das zarte Rückgrat knacken.
»Mieze, du dummes Vieh. Keinerlei Schamgefühl.« Monica setzte die Weinkaraffe ab, schwang das
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