Im Kinderzimmer
ungetrübtes Vergnügen an Gästen, stellte gerne zur Schau, besonders, wenn Besucher wie die Amerikaner ihr Heim bewunderten.
101
Komplimente, die andere nicht sonderlich ernst nahmen, empfand sie als hohen Tribut, versetzten sie in einen Erfolgsrausch, dem Davids gelegentlicher Zynismus nur wenig anhaben konnte. Im Augenblick allerdings war sie böse auf David, trotz seiner unangefochtenen Stellung als Guru in Fragen des Wohnstils, und der ihren als eine Art Unterguru des Geschmacks.
»Du kritisierst einen nie«, hatte Monica sie einmal aufgezogen, »du bist Balsam fürs Selbstwertgefühl.«
»Es bringt nicht viel, die Leute zu kritisieren«, hatte Katherine er-klärt und Kopfschütteln und Gelächter geerntet. »Sie mögen es nicht.« Während sie jetzt in der Küche stand und sich mit der Amerikanerin eingehend über Vorzüge und Charakteristika italienischer Keramik unterhielt und Tips für den günstigen Einkauf solcher Ware auch außerhalb Italiens gab, hätte Katherine nicht einmal im Traum daran gedacht, zu erwähnen, auch ganz im Vertrauen nicht, wie scheußlich sie die Küche in Wahrheit fand. So etwas durfte man denken, aber niemals sagen. Jedem das, was ihn glücklich macht.
Monicas Haus, das stattlichste in einer Siedlung von Fachwerkhäusern im Cottage-Stil, paßte zum Beispiel zu ihr: groß, auffällig, rusti-kal und geschmacklos. Und wie auch Monica, hätte es eigentlich klein und allerliebst sein wollen. Die Spuren von Kindern waren unübersehbar, aber überschaubar in der Zahl. Selbst diese wenigen würden David gegen den Strich gehen, und Monica war Katherines leicht angewiderter Ausdruck beim Anblick der Spielzeuge auf dem Fußboden keineswegs entgangen. Jenny warf Katherine einen raschen Blick zu, lachte und legte den Arm um sie. Teils aus Erleichterung, weil Katherine sich so schnell der schmachtenden Zuwendung des Ehemanns ihrer besten Freundin entzogen hatte, teils aus aufrichtiger Bewunderung.
»Finden Sie nicht auch einfach alles perfekt bei Katherine?« meinte Jenny im Scherz zu der Amerikanerin. »Gibt es bei ihr jemals so etwas wie Unordnung?«
»Nein«, antwortete Katherine etwas verwirrt. Wie sollte es das geben können, jede Unordnung mußte umgehend beseitigt werden, sonst geriete alles außer Kontrolle. Eigentlich hätte sie sagen mögen: 102
»Hör mal, nichts ist perfekt, natürlich gibt es auch bei mir mal Unordnung«, aber der ständige Hunger nach Bestätigung war stärker.
»Wir müssen bald mal wieder zusammen essen gehen.«
»Ach ja, das wäre schön«, ereiferte sich Katherine.
»Darf ich zu Ihnen ins Geschäft kommen, meine Liebe? Und mir von Ihnen Rat holen?« bat die Amerikanerin.
»Selbstverständlich«, erwiderte Katherine. Sie war gefragt, war gut gelitten. Himmlisch.
Das erwähnte gemeinsame Mittagessen kam ihr in den Sinn, als sie ins Bad ging, um ihr tadellos sitzendes, nach wie vor langes Haar zu glätten und ihren Lippenstift zu erneuern, ehe sie zum Büfett ging, über das die anderen bereits hergefallen waren. Sie öffnete ihre Handtasche, um den Inhalt zu überprüfen – mittlerweile fast eine Zwangshandlung, vorbeugende Maßnahme gegen die chronische Schludrigkeit. Die Sache mit dem Haustürschlüssel war der sprich-wörtliche Tropfen gewesen, und jetzt war das Kontrollieren der Tasche zur absoluten Notwendigkeit geworden. Im Bad war sie ungestört: Sie kramte in ihrem Portemonnaie, wunderte sich gleichzeitig, wie irgend jemand, der Geld hatte, eine derart entsetzliche Tapete hatte auswählen können, und erstarrte. Die fünfundzwanzig Pfund, die ihr vom Wechselgeld aus der Boutique geblieben waren nach dem Marktbesuch, waren weg. Sie mußte das Geld verloren haben, wie sie alles mögliche auf unerklärliche Weise verlor. Kein Geld fürs Taxi, keins fürs Café. In der kleinen Börse für Münzen im Seitenfach ihrer Handtasche fand sie fünf einzelne blank wie Pennies blinkende Pfundmünzen. Sie ließ den Verschluß der Tasche zuschnappen, kniff die Augen rasch ein paarmal zu und riß sie wieder auf, damit sie nicht zu weinen begann, und rang um Selbstbeherrschung. Sie sollte lieber hinausgehen und etwas essen, morgen wäre Schmalhans Kü-
chenmeister.
Der Tisch bog sich unter Köstlichkeiten, von denen gut und gerne die doppelte Anzahl Gäste satt geworden wäre, ein für Monica typisches Überangebot, das Katherine mit gieriger Freude in Augenschein nahm. Die plötzliche Abkühlung, die eine Völkerwanderung Richtung Küche in Gang gesetzt
Weitere Kostenlose Bücher