Im Kinderzimmer
mußte: Die Kindertante konnte nicht auf die gleiche Weise rumgekriegt wie die Mama bezirzt werden.
Und meist waren es sowieso zähe Verhandlungen mit beinharten Partnern. Ja, du kriegst ein Fahrrad, wenn du… Ja, du kannst auf diese Schule gehen, wenn du… Versprechungen und Zusagen zogen einen Rattenschwanz von Gegenleistungen nach sich, gegen die die Mühen des Herkules wie ein Kinderspiel erscheinen. Und wenn die Erwachsenen sich besonders dämlich und stur stellten, wurden komplizierte Manöver erforderlich, wie zum Beispiel brav und still sein, eine mustergültige Tochter, oder den anderen einreden, die fragliche Idee sei ganz alleine auf ihrem Mist gewachsen, oder sie mit den eigenen logischen Waffen schlagen – etwa: Am Ende kommt ihr so billiger davon. Wie auch immer, meist habe ich mich durchgesetzt, jedenfalls kann ich mich an Niederlagen nicht erinnern. Ich bekam die Tiere, die Kleider, die Schule, den Beruf und schließlich auch den Mann meiner damaligen Träume. Was ich aber nicht begreife ist, wann die Strategie zu versagen begann.
Und das tut sie im Augenblick, verflucht, wenn sie nicht gar zum Bumerang wird. In letzter Zeit zieht es mich öfter vor den Spiegel, und er zeigt mir, daß irgend etwas nicht mehr stimmt. Nein, nein, es ist nichts, eigentlich ist alles in Ordnung, nur kann ich mich nicht mehr sonderlich gut leiden; außen quillt’s, innen fault’s. Die ganze Selbstquälerei hat mit Sebastians Doppelgänger auf der Parkbank und dem Spuk der Erscheinung Katherine Allendales begonnen, aber soll niemand sagen, es hätte mit ihm zu tun. Hat es nicht. Sebastian würde nie und nimmer auf Abenteuer ausziehen, und wenn schon, mich juckt’s nicht, aber Sebastian ist nicht der Typ, ehrlich. Nein, es geht schlicht darum, daß ich mein Leben wieder in den Griff, die 149
Dinge wieder auf die Reihe kriegen muß – einschließlich meiner selbst. Dann wäre alles wieder in bester Ordnung.
So lautete die unzweideutige Botschaft, die der Spiegel vor wenigen Tagen meiner Bulldoggenmiene mit den geröteten Augen und dem verkaterten Kopf überbrachte. Das war die nackte, ungeschönte Wahrheit hinter einem revolutionären Entschluß – Susan Pearson Thorpe am Vorabend ihrer Läuterung, der Totalüberholung ihrer äußeren Erscheinung, als da wären Figur, Kleidung, Haare. (Muß an den Witz über die alte Dame denken, die sich als Exhibitionistin versuchte: »Hast du das gesehen?« fragt ein alter Mann einen Bekannten. »Was hatte die denn an?«
»Weiß ich auch nicht«, sagt der andere, »was immer es war, müßte dringend mal gebügelt werden.« Darüber konnte ich einst schallend lachen. Haha!)
Das führte zu Reflexionen über die Willenskraft und zur Annahme, diese ganze Entpuppung – Raupe zu Schmetterling –, wäre schlicht eine Willensfrage. Von wegen, es ist eine unglaublich komplizierte Angelegenheit. Zunächst, als ich zufällig Katherine Allendale in einem roten Kleid, das wie angegossen saß, graziös ins Auto gleiten sah, stachelte das an, obwohl ich mich natürlich fragte, woher sie bloß die Zeit für die, offen gestanden, unsäglich langwierige und langweilige Toilette nahm. Ich machte mich daher mit Schwung über das schwarze Loch meines Kleiderschranks her, über meine uniforme Garderobe in gedeckten Farben und einem Zustand fortschreiten-den Verfalls. Kleider hielt ich nie für besonders wichtig, aber vielleicht ist eben doch was dran an dem »Kleider machen Leute«.
Nachdem ich mehrere alte Paar Schuhe zurechtgewalkt hatte, nur um feststellen zu müssen, daß meine Füße offenbar größer geworden sind, gab es nur eines: Alles wieder rein ins schwarze Loch und ab in die Stadt. Mir war es bitter ernst: Neu einkleiden, hieß die Devise, Alkoholverbot und körperliche Betätigung, sprich ein Besuch bei Katherine Allendales Fitneß-Center. Klammheimlich, versteht sich, an einem freien Tag. Der Himmel steh mir bei.
Ich bin mir wohl bewußt – erwähnte ich das nicht schon? –, daß das Einkaufen für manche das reine Vergnügen darstellt, die nämlich, die einen leichten Stich haben, so zum Beispiel Katherine Allendale, 150
Mrs. Harrison und Konsorten, selbst Sebastian, sofern man ihm klare Anweisungen erteilt und er nur ein genau spezifiziertes Teil zu erwerben hat. Für mich ist das hingegen nichts, ganz und gar nicht, mir bereitet das Ganze ungefähr so viel Behagen wie heftige Zahn-schmerzen.
Wer jemals durch die schicken Läden im Westend gebummelt ist, und das im
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