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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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Leben. Nicht so endlos allerdings wie die Stunde. Keine Stunde keines Nachmittags, nicht einmal diejeni-gen, während derer mich Geburtswehen beutelten, ist mir jemals so lang vorgekommen wie diese quälende Gymnastikstunde. Man stelle sich vor, wie ich in das Foyer dieses Orts des Schreckens hereinge-rollt komme, beladen mit baumelnden Päckchen, wie die Gruppe beruhigend normal aussehender Frauen ohne eine einzige Paillette an den Gymnastikanzügen sich der molligen und unerklärlich nervösen Neuen überaus freundlich annimmt, wie alles sich bestens anläßt, ich schließlich in meinem uralten Trainingsanzug startbereit, alles bestens, bis zu jenem Augenblick, da sich die Tür öffnet und Katherine Allendale hereinspaziert. Sie wirkte zunächst etwas angespannt, dann jedoch, als sie mich sah, stürzte sie mit kleinen fiependen Juchzern auf mich zu, wie sie ein Welpe ausstoßen mag, den man fünf Minuten lang allein gelassen hat. Mir sank das Herz, als sie sich – ganz genierlich unter einem Handtuch – auszog bis auf die deutlich hervortretenden Rippen, wobei sie eigenartigerweise ein komisches Flanellhalstuch umbehielt. Und mit einem Schlag fragte ich mich: Wozu mache ich mir die ganze Mühe?
    Der Gymnastikraum war an drei von vier Wänden mit Spiegeln ausgestattet. Also ehrlich! Damit man auch ja jede unschöne Verren-kung vielfach zurückgeworfen bekam. Oh, harte Schule der Demut!
    »Wir fangen langsam an, meine Damen, ein bißchen Aufwärmen, ein wenig Joggen – nicht zuviel bei der Hitze – und dann wollen wir Bauch und Po zu Leibe rücken!« Verharmlosungen. Das »bißchen«
    Aufwärmen sah so aus, daß die Arme wild in entgegengesetzten Richtungen über den Kopf flogen und der Körper aus der Hocke minimal auf und ab bewegt wurde, bis die Oberschenkel brannten.
    Aber das war erst der Anfang, lediglich ein Vorgeschmack auf die zu erwartenden Höllenqualen. Traben auf der Stelle zu grauenvoller Musik, Knie dabei immer hübsch hochziehen. »Höher! Höher!… und weitere zwanzigmal… Spreizsprünge, und eins, und zwei, und drei…
    zehnmal noch, meine Damen, gut! Ja, gut! Und jetzt der Cancan…«
    Die ermutigenden Zurufe der Kursleiterin schien keine der Anwesenden nötig zu haben, denn nicht eine von ihnen geriet auch nur 153
    leicht aus der Puste. Katherine warf die Beine hoch, als wären wir bei den Folies-Bergère. Dabei blieb ihr Gesicht blaß wie eh und je –
    auch wenn mir scheinen wollte, daß sie weit mehr Make-up trug als gewöhnlich – und nahm einen merkwürdig verzückten Ausdruck an, während ich wirklich glaubte, jeden Moment sterben zu müssen, und mit einemmal – ganz abgesehen davon, daß ihre Doppelgängerin sich auf eben so ellenlangen Beinen wie den ihren entfernt hatte – von Haß erfüllt war. Noch dazu behielt sie mich fürsorglich im Auge, als wäre ich eine arthritische Oma. Wie ich sie haßte.
    Einige mußten über meinen zutiefst ungläubigen Blick lachen, als ich hörte, man erwarte von mir, daß ich den Kopf zwischen die Knie steckte, meinen stattlichen Busen zwischen gespreizten Beinen gen Boden drückte. Nicht so Katherine: sie war um meinetwillen be-kümmert. Diese Anteilnahme an meiner Plackerei hätte mich milder stimmen müssen, bewirkte jedoch das Gegenteil, ebenso wie nach der Stunde, als sie mir Shampoo, Talkumpuder, Handtuch und dergleichen aufdrängte, Utensilien, an die ich überhaupt nicht gedacht hatte. Ich stakste breitbeinig im Umkleideraum umher wie der gute alte John Wayne in O. K. Corral, Hüftgelenke in ungutem Winkel haltend, Knie auf immer einander entfremdet. Ihr Mitgefühl, ihre arglose Nettigkeit, als sie, immer darauf bedacht, sich nicht nackt zu zeigen, – wer weiß, vielleicht aus Höflichkeit mir gegenüber? – wieder aus der Dusche auftauchte und wie ein dämlicher kleiner Papagei auf mich einredete, machten mich rasend.
    »Kopf hoch, Susan, du hast dich wirklich tapfer geschlagen, ganz toll, und es fällt mit jedem Mal leichter, bestimmt. Vor allem, sobald du den Ablauf kennst, denn das Anstrengendste ist die Konzentration, weißt du. Wenn du die Abfolge erst intus hast, wird alles viel einfacher, du wirst es kaum glauben.«
    Nein, ich glaubte ihr nicht. Und als mich dieses Geplapper den ganzen Weg nach Hause begleitete in dem Taxi, das ich – zu ihrer offenkundigen Freude – bezahlte, verfiel ich in eine tiefe Depression.
    »Ich fühle mich nach der Stunde immer wie neugeboren«, versicherte Katherine, die ungewöhnlich gesprächig

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