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Im Kinderzimmer

Im Kinderzimmer

Titel: Im Kinderzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Fyfield
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Hochsommer, auf der Suche nach einem dem Treibhaus-effekt angemessenen Kleid sowie Hosen oder Röcken, die angetan sind, die Problemzonen geschickt zu kaschieren, also nach Sachen, die einem gewandelten Selbst die Wiederaufnahme in die gut gekleidete Gemeinschaft garantieren sollen, der wird sich lebhaft vorstellen können, wie mir zumute war. Es gibt, bemerkte ich schließlich in frostigem Ton zu einer dieser Modepuppen, die sich albernerweise Verkäuferinnen nennen, zahlreiche Individuen, die sich der Kleider-größe 42 erfreuen, möglicherweise sind wir sogar die Mehrheit, trotz einer offensichtlich ebenso perfiden wie massiven Kampagne, selbiges zu leugnen. Wenn ich mich nämlich auf den Straßen umschaue, dann sehe ich nicht lauter Twiggy-Figuren, sondern zahllose Frauen weit beeindruckenderer Maße, manche geradezu gewaltig. Und was Sie betrifft, Sie windige Größe 34, ich würde Ihnen raten, zu lächeln, solange Sie noch die Zähne dazu haben, denn wenn Sie mir noch ein einziges eng tailliertes Kleid zum Anprobieren bringen, gehört diese Zeit bald der Vergangenheit an. Und als ich im Zuge der Umsetzung der ersten Punkte meines Verschönerungsprogramms lustlos meine vierte Tasse schwarzen Kaffee gekippt und lange genug nach den verbotenen Backwaren geschielt hatte, zappelte ich schon nicht mehr in den Fängen tiefer Depressionen, sondern fiel einem abgrundtiefen Ekel und heftiger Übelkeit anheim. Also habe ich mich auf eine andere Taktik verlegt und bin losgezogen, um mich mit Gesichtsmilch und -wasser einzudecken, von denen es ja heißt, sie hielten den Alte-rungsprozeß auf oder verjüngten gar, so der Tenor der Versprechungen. Da ließ meine Standardkörperpflege – ein bescheidener Topf Cold Cream, die zu Weihnachten überreichten Seifen und Wässer-chen – einiges zu wünschen übrig. Wasser und Seife, Madame? war das entsetzte Echo, das ich zu hören bekam, so als hätte ich mich zu einer heimlichen Vorliebe fürs nächtliche Reinigungsritual mit Ab-151
    beizer bekannt. Die Verkäuferin schüttelte sich, faßte sich, preßte sich mit krallenlangen Fingernägeln an die makellose Stirn und hob zu ihrem Vortrag an. Madame brauchen für die jugendlich frische Haut folgendes. Man höre und staune: Zunächst wird das Gesicht mit einem blauklebrigen Zeugs zu fünfzehn Pfund die Flasche gereinigt, sodann mit gelbem Tonikum zu sieben Pfund fünfundneunzig abermals gesäubert. Ich ziehe anderes Tonic vor. Anschließend wird eine maisgelbe Soße zu dreißig Pfund das Glas auf Gesichts- und Hals-partien aufgetragen. Unverzichtbar ist auch ein durchsichtiger Au-genbalsam zu, zwanzig Pfund die Tube. Mir lag die Frage auf der Zunge, ob es nicht preiswerter wäre, mir gleich den Kopf abschlagen oder mich liften zu lassen, Tabula rasa sozusagen, weil eine derartige Pflege sonst vierundzwanzig Stunden am Tag beanspruchen würde, ohne daß man überhaupt morgens zu seiner eigentlichen Aufgabe käme – auch wenn diese darin bestände, um fünf Uhr in der Früh mit dem Aufschrauben der diversen Tiegel und Töpfe zu beginnen oder sich auf den Berghöhen im Tau zu wälzen. Aber was war bloß aus der energischen Person von einst geworden, die sich mit derlei Unsinn nicht lange aufhielt? Hatten ihre Tränensäcke ihr den Blick ge-trübt und die Sprache verschlagen? Und gab es ein Mittel, erstere aus dem vom Gin aufgedunsenen Hautteig wiederauferstehen zu lassen?
    Ich gestehe, ich habe mich einseifen lassen. Ja, sagte ich, gut, ausgezeichnet, hervorragend, ich nehme das Ganze.
    Und dann erst dieses unsägliche Fitneß-Center! Letzter Punkt des Schönheitsprogramms, der an diesem brüllend heißen Nachmittag eine größere Herausforderung für meine Willenskraft darstellte als alles andere zusammen. Es wäre so leicht gewesen, einfach nach Hause zu gehen. Aber was sollte ich im eigenen Hause überflüssig gewordenes Geschöpf schon dort? Ersetzt durch Mrs. Harrison, ignoriert von den Kindern, die Besseres zu tun haben? Wo keine Aussicht besteht, den Gatten vor Anbruch der Dunkelheit zu Gesicht zu bekommen? Außerdem gab es kein Zurück; ich hatte mich telefonisch angemeldet zu einer Gymnastikstunde in diesem Fitneß-Center, das Katherine einmal als die »rettende Antwort« jeder Frau beschrieben hatte. Also durchquerte ich den Park, vor Augen die Fata Morgana eines verbotenen Gins, und gab mir Mühe, so zu wirken, als täte ich 152
    das jeden Tag statt zum allerersten Mal in meinem in diesem Moment mir endlos erscheinenden

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