Im Koma
deiner Mutter ja nicht, dass ich das gesagt habe.«
Casey nahm das Glas mit der klaren Flüssigkeit aus Mayas ausgestreckter Hand entgegen und hielt es unter die Nase. »Was ist das?«
»Wasser.«
Casey setzte das Glas an die Lippen.
Maya entriss es ihr hastig. Mit ihren fast 1,80 Meter war sie eine imposante junge Frau, deren dunkle Augen keinen Widerspruch duldeten. »Was machst du?«
»Ich hab Durst.«
»Ich hol dir ein eigenes Glas.« Mit zwei Schritten war Maya, den Telefonhörer zwischen Schulter und Ohr geklemmt, am Spülbecken und ließ Casey ein Glas lauwarmes Wasser einlaufen.
»Warum kann ich nicht was von dem Wasser haben?« Casey wies mit dem Kinn auf das andere Glas, das Maya in der Hand hielt. Es war schön klar und kalt, an der Oberfläche schwammen sogar ein paar Eisstückchen.
»Weil es nicht gut ist, aus einem fremden Glas zu trinken.«
Selbst im zarten Alter von drei wusste Casey, dass sie belogen wurde. Genauso wie sie wusste, dass Maya es sich nur ausgedacht hatte, dass die schöne Frau oben im Bett ihres Vaters ihre Mutter war. Nicht dass Casey gewusst hätte, was eine Mutter eigentlich genau war. Ihre Erfahrung mit Müttern beschränkte sich auf eine Begegnung im Park vor ein paar Wochen, wo eine Frau mit strubbeligen braunen Haaren und einer verwaschenen, zu weiten Jeans sich in eine Ecke des Sandkastens gehockt und mit einem kleinen Jungen gespielt hatte, dessen Nase mit großen orangefarbenen Flecken übersät war, die Maya als Sommersprossen identifiziert hatte.
»Sie sind neu hier«, hatte Maya zu der Frau gesagt, Casey zu der Sandkiste geführt, sich hingesetzt und leichthin ein Gespräch mit der Frau angeknüpft, als würde sie sie schon ewig kennen.
»Ja. Wir sind letzte Woche eingezogen und erkunden noch immer das Viertel.« Die Frau hatte Maya ihre Hand hingestreckt. »Ich bin Ellen Thomas. Und das ist Jimmy.«
»Nett, Sie kennenzulernen. Und dich auch, Jimmy«, sagte Maya zu dem kleinen Jungen, der viel zu sehr mit Buddeln beschäftigt war, um ihre Begrüßung zu bemerken. »Ich bin Maya. Und das ist Casey. Sie wurde nach Casey Stengel benannt.«
Ellen Thomas entblößte lächelnd eine Reihe schiefer Zähne. »Ihr Vater ist offenbar Baseballfan.«
»Oh, Mr. Lerner mag alles, was mit Sport zusammenhängt, nicht nur Baseball. Und für wen arbeiten Sie?«, fragte Maya im selben Atemzug.
Ellen Thomas sah sie verwirrt an. »Oh. Ich bin nicht Jimmys Kindermädchen. Ich bin seine Mutter.«
»Wirklich?« Maya klang ziemlich überrascht. »Das ist in dieser Ecke ziemlich ungewöhnlich.«
Casey sah sich um und fragte sich, welche Ecke Maya meinen könnte, als sie schon die nächste Bombe zündete.
»Ich glaube, Sie sind die erste richtige Mutter, die ich in diesem Park getroffen habe«, sagte sie.
»Was ist eine nichtige Mutten?«, fragte Casey später, als sie auf dem Weg den Hügel hinauf zu ihrem Haus versuchte, mit dem Kindermädchen Schritt zu halten. Maya lachte und sagte nichts, sodass Casey nicht weiterbohrte. Nach gut einstündiger Beobachtung von Ellen Thomas hatte sie bereits entschieden, dass richtige Mütter Frauen mit strubbeligem braunem Haar und schiefen Zähnen waren, die mit kleinen Jungen in Sandkästen spielten.
Die Frau, die im Bett ihres Vaters schlief, konnte keine richtige Mutter sein. Sie hatte süß riechendes, gelbes Haar, das sie ständig kämmte, und makellose, weiße Zähne. Casey war sich ziemlich sicher, dass diese Frau noch nie einen Fuß in einen Sandkasten gesetzt hatte, weil sie ihr Zimmer nur selten und dann nur abends verließ, wenn der Park schon geschlossen war. »Komm und gib Alana einen Gutenachtkuss«, forderte ihr Vater sie auf, wenn die beiden sich abends zum Ausgehen bereit machten, und Casey gehorchte gerne.
»Du siehst hübsch aus«, sagte sie dann zu der Frau, die ihr ihre glatte Wange zum Küssen hinhielt. Einmal hatte Casey den Fehler gemacht, die Arme um ihren Hals zu schlingen und die Nase in ihrem weichen, nach Karamell riechenden Haar zu vergraben, worauf die Frau hektisch nach Luft geschnappt und sie eilig von sich gestoßen hatte.
»Vorsicht, meine Haare«, hatte sie Casey ermahnt, worauf diese das Haar der Frau eine Minute lang genau beobachtet hatte, um zu sehen, was es tun würde. »Was ist mit dem Kind?«, wollte die Frau namens Alana von Caseys Vater wissen, als sie zur Tür hinausgingen. »Warum guckt sie mich immer so an?«
»Worauf wartest du?«, fragte Maya. »Bring es nach oben.« Wieder drückte sie
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