Im Koma
sich, obwohl sie nichts spürte, entblößt. Trug sie einen Krankenhauskittel oder ein Nachthemd aus ihrem eigenen Kleiderschrank? Hatte sie überhaupt etwas an? Fassten sie sie an? Und wenn ja, wo?
»Was glaubst du wohl, wie lange es ihn hier hält?«, formulierte Donna Caseys Frage von vorhin laut. »Sobald er erkennt, dass es nicht besser wird...«
»Psst. Sag das nicht«, ermahnte Patsy sie.
»Was? Sie kann mich sowieso nicht hören.«
»Das kann man nicht mit Sicherheit wissen. Sie hat schließlich die Augen aufgemacht, oder nicht?«
»Das hat nichts zu bedeuten. Ich habe einen der Ärzte reden hören. Er hat gesagt, wenn sie die Augen öffnen, ist das oft ein schlechtes Zeichen. Es könnte den Beginn eines tiefen vegetativen Stadiums markieren.«
»Na, hoffen wir, dass er sich irrt.«
Casey fragte sich, wie Donna und Patsy aussahen, und stellte sich die eine groß und blond, die andere klein und dunkelhaarig vor. Oder vielleicht groß und dunkelhaarig, spekulierte sie, tauschte die äußeren Merkmale der beiden Frauen aus und probierte verschiedene Köpfe auf verschiedenen Körpern. Erst stellte sie sich Schwester Patsy mit Dolly-Parton-Brüsten und Donna flach wie das sprichwörtliche Brett vor. Vielleicht war Patsy auch ein Rotschopf. Und Donna hatte weiche, samtschwarze Haut. Wie auch immer sie aussahen, in einem hatten sie recht: Warren Marshall war ein verdammt attraktiver Mann.
Casey lachte, weil sie wusste, dass sie sie nicht hören konnten. Für sie war sie bloß ein lebloses Objekt. Ein Körper, der regelmäßig gewendet und gewaschen werden musste, um wund gelegene Stellen und unangenehme Gerüche zu vermeiden. Ein ödes Stillleben, das ist aus mir geworden, dachte sie, und ihr Lachen erstarb.
»Oh, schau mal, ihr Gesicht«, sagte Patsy plötzlich.
»Was ist denn mit ihrem Gesicht?«, wollte Donna wissen.
»Sie sieht auf einmal so traurig aus.«
»Wovon redest du?«, fragte Donna.
»Findest du nicht, dass ihre Augen traurig aussehen.«
»Ich finde, dass ihre Augen offen sind. Mehr nicht. Okay, ich bin mit der Vorderseite fertig. Hilfst du mir, sie umzudrehen?«
Casey hatte das Gefühl, dass ihr Körper angefasst und ihr Kopf gedreht wurde, obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie irgendwas davon wirklich spürte oder sich alles bloß vorstellte.
»Okay, ich bin fertig«, sagte Donna ein paar Minuten später. »Was ist mit dir?«
»Ich bleib noch ein bisschen, bürste ihr Haar und mach sie schön. Du kannst ruhig schon gehen.«
»Wie du willst.«
»Wir machen Sie hübsch für Ihren reizenden, hingebungsvollen Ehemann«, sagte Patsy, als Donna das Zimmer verlassen hatte. Casey malte sich aus, wie sie mit einer Bürste behutsam durch ihr Haar strich. »Obwohl man sich schon fragt, wozu das gut sein soll«, fuhr Patsy, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, plötzlich ohne jede Sanftheit in der Stimme fort, wie eine Schlange, die sich gehäutet hatte. »Ich meine, er ist schließlich ein Mann. Ein absolut umwerfender noch dazu. Ein steinreicher, umwerfender Mann. Da stehen die Frauen bestimmt schon Schlange. Der lässt nichts anbrennen, der Hübsche.« Casey stellte sich vor, wie sie die Bürste beiseitelegte, um ihr ins Ohr zu flüstern. »Das weiß ich, weil ich ihn dabei ertappt habe, wie er mir auf den Arsch geguckt hat.« Sie lachte. »Was glauben Sie, wie lange ich brauche, ihn ins Bett zu kriegen?« Sie lachte noch einmal. »Was? Sie meinen, das schaffe ich nicht? Wollen wir wetten? Um wie viel? Zehn Dollar? Hundert? Sagen wir ruhig tausend, Sie können es sich leisten.«
Die Tür ging auf. »Patsy«, rief Donna. »Wir werden in 307 gebraucht.« »Klar doch«, erwiderte Patsy munter. »Ich bin hier fertig.«
KAPITEL 4
Sie war drei Jahre alt, als sie erfuhr, dass die schöne Frau mit dem hüftlangen naturblonden Haar, das nach Kaugummi und Zuckerwatte roch, ihre Mutter und nicht bloß eine geheimnisvolle Dame namens Alana war, die immer ein Glas in der Hand hielt und im Bett ihres Vaters schlief.
»Hier, Casey. Kannst du deiner Mama dieses Glas bringen? Ich telefoniere gerade und hänge in der Warteschleife.«
»Meiner Mama?«, fragte das Kind. Wovon redete Maya? Sie wohnte noch nicht lange bei ihnen. Vielleicht kannte sie noch nicht alle.
»Die hübsche Blondine, die mit deinem Vater verheiratet ist«, sagte Maya, als ob Casey das wissen sollte. »Die Frau, die den ganzen Tag im Bett bleibt«, fügte sie lachend hinzu. Ihr blasses Gesicht wurde puterrot. »Aber erzähl
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