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Im Koma

Titel: Im Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
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im Abstand von einigen Schritten der kleinen Casey.
    »Herrgott noch mal, was soll der Unsinn?«, sagte ihr Vater.
    »Wag es nicht, mir zu erklären, dass ich mir alles nur einbilde. Wag es nicht. Ich habe es mir nicht eingebildet. Ich habe gesehen, wie du mit der Zunge an Sheryl Westens Ohr herumgespielt hast. Vor allen Leuten.«
    »Da war nichts mit Zunge, Himmel noch mal. Ich habe ihr einen Witz erzählt.«
    »Ach ja? Na, dann ging der vermutlich auf meine Kosten.« Alana lachte, ein Gackern, so schrill, dass Casey sich die Ohren zuhielt. »Verdammt noch mal, muss es immer so offensichtlich sein? Muss jeder in Rosemont von deiner neuesten Eroberung wissen? Musst du mich immer vor allen unseren Freunden demütigen?«
    »Das ist gar nicht nötig«, sagte Ronald Lerner gemessen. »Das schaffst du schon ganz gut alleine.«
    »Du bist so verdammt selbstgefällig.« »Und du bist verdammt betrunken.«
    »Mieses Schwein.«
    »Erbärmliche Ziege.«
    Casey beobachtete, wie ihre Mutter zu dem Nachttisch wankte, auf ihren hohen Absätzen stolperte und bei dem Versuch, die Schublade aufzuziehen, mit der Hüfte dagegenstieß.
    »Was machst du jetzt wieder?«, wollte ihr Vater wissen.
    »Ich bin also erbärmlich, ja?«, entgegnete ihre Mutter, nachdem sie es endlich geschafft hatte, die Schublade aufzuziehen, und nun mit der rechten Hand blindlings darin herumkramte. »Ich bin erbärmlich? Wie erbärmlich findest du das?«
    Casey fragte sich, was ihre Mutter in der Hand hielt, und schlich auf Zehenspitzen näher. Es sah aus wie die Wasserpistole, die Kenny Yaeger letzte Woche zur Erzählstunde mit in die Schule gebracht hatte.
    »Herrgott, Alana. Leg das verdammte Ding weg, bevor du noch jemandem wehtust.«
    »Ich zeige dir, wer erbärmlich ist.«
    »Leg die Pistole weg, Alana.«
    Eine Pistole? Ihre Mutter hatte eine Pistole?
    »Ich bringe uns um. Ich bringe uns beide um.«
    Was? Nein!
    »Du tust nichts dergleichen.«
    Plötzlich schlug Caseys Vater Alana die Waffe aus der Hand und verpasste ihr eine schallende Ohrfeige. Und dann noch eine und noch eine.
    »Du erbärmliche Ziege«, sagte er immer wieder, während er die Pistole in Richtung Fenster kickte und Alana aufs Bett stieß. Dann lag er auf ihr, und sie rangen miteinander, seine Mutter schlug mit den Fäusten gegen seinen Kopf, während er versuchte, ihre Hände über ihrem Kopf festzuhalten. Und dann fummelte er plötzlich an ihrem Kleid, und sie zerrte an seiner Jacke, und die wütenden Schreie wurden von Grunzen, Quieken und sogar Gelächter abgelöst.
    »Schwein«, schnurrte ihre Mutter, als Casey leise den Rückzug antrat.
    Als sie am nächsten Morgen aufwachte, kam sie am Schlafzimmer ihrer Eltern vorbei und sah, dass sie gemeinsam im Bett frühstückten. Ihr Vater winkte ihr mit der freien Hand zu. Den anderen Arm hatte er um die Schulter ihrer Mutter gelegt, die Hand baumelte über ihrer Brust. Sie tuschelten lächelnd miteinander. Bei einem hastigen Blick ins Zimmer hatte Casey keine Pistole entdecken können und beschlossen, dass das Ganze ein böser Traum war, den sie umgehend aus ihrem Gedächtnis radiert hatte.
    Bis heute.
    Wie viel Zeit ihres Lebens hatte sie damit zugebracht zu leugnen, was direkt vor ihren Augen geschah, fragte Casey sich.
    »>Ich hielt es für richtig, dir das zu sagen, denn du hast dich aufgeführt wie immer: Du siehst nie, wo du eigentlich stehst, trittst immer am falschen Fleck auf«, hörte sie Janine vorlesen. »>Du siehst immer, was keiner sonst sieht; es ist unmöglich, dich zufriedenzustellen; aber was ganz klar ist, siehst du nie.<«
    Casey fragte sich, ob sie die Pistole in der Hand ihrer Mutter wirklich gesehen hatte.
    Und wenn ja, wo war die Waffe jetzt? Hatten ihre Eltern sie mitgenommen, als sie umgezogen waren? Befand sich die Waffe möglicherweise noch hier im Haus?
    »Ich bin ehrlich gesagt manchmal auch eine Drama-Queen«, sagte Patsy. »Ich habe jedenfalls so meine Anwandlungen. Bloß nicht die passenden Klamotten.« Sie seufzte übertrieben. »Sie haben bestimmt recht hübsche Kleider, oder? Ich wette, Ihr Schrank ist vollgestopft mit teuren Designerteilen, wie sie Ihre Freundin immer trägt. Wie heißt sie noch? Die Zickige? - Janine? Ich glaube, sie mag mich nicht. Kann ich mal gucken?«
    Casey hörte, wie Patsy zu dem großen begehbaren Kleiderschrank auf der rechten Seite des Bettes stapfte.
    »Sie haben doch nichts dagegen, oder? Da hätte ich am liebsten als Erstes reingeguckt, aber ich möchte nicht, dass

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