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Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Evans
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darf?«
    Calder deutete auf die gegenüberliegende Wand, wo Lovelaceüber der Gefriertruhe seine Ankerketten, Haken und Drahtrollen aufgehängt hatte.
    »Damit fängt man Welpen. Eine Erfindung von meinem Vater. Er hat sie ›die Schlinge‹ genannt.«

23
    Die vaterlosen Welpen von Hope waren fast fünf Monate alt. Sie waren schlank und schlaksig, mit ihrem dichten Winterfell aber nur wenig kleiner als die drei älteren Wölfe. Die Milchzähne hatten sie inzwischen fast alle verloren, und obwohl sie sich bei der Jagd noch zurückhielten und noch viel über das Leben in der Wildnis lernen mussten, wurden sie mit jedem Tag verwegener und gewitzter.
    Mittlerweile hatten sie alle ihren festen Platz in der Rangordnung des Rudels, und ob im Spiel oder im Ernst, bei einer Rast oder am Kadaver einer Beute, stets unterwarfen sich die Schwächeren bereitwillig dem Stärkeren. Sie legten die Ohren an, zogen den Schwanz ein und krochen auf ihn zu, leckten ihn ab und schnappten nach den Kiefern des kräftigeren Tiers, das selbstbewusst mit hohem, buschigem Schwanz über ihnen stand.
    Da ihr Vater, der Alpha-Rüde und Kälberkiller, tot war, erwarteten die Welpen ebenso wie die beiden Jungtiere von der Mutter die Führung des Rudels. Sie war jetzt diejenige, die alle von ihrem Nachmittagsnickerchen aufscheuchte und zur Jagd zusammentrommelte. Sie war es auch, die sie durch den herbstlich dämmrigen Wald führte, die stehenblieb, um in der kalten Nachtluft Witterung aufzunehmen, die entschied, welches Tier zur Beute wurde und welches nicht.
    Nur das jüngere Weibchen hatte zusammen mit seinem Vater Kälber gerissen, auch wenn sich die übrigen Tieredann an der Beute satt fraßen. Das Weibchen war auch an jenem Abend bei ihm gewesen, als ihn die tödliche Kugel getroffen hatte. Voller Entsetzen war es geflohen. Seither gab es sich damit zufrieden, sich der Führung der Mutter zu unterwerfen.
    Und ob aus Angst oder angeborenem Instinkt – das Muttertier hielt sich von jenen Orten fern, an denen das Vieh der Menschen weidete, und machte Jagd auf Elche oder Hirsche, die zum Winter von den Bergen herabkamen und durch die Brunft unachtsam wurden. Die Elchbullen kämpften mit Macht um ihren Harem, und die Berge hallten wider von ihrem Röhren und dem Krachen der aufeinanderprallenden Geweihe.
    Doch die Wölfe waren nicht die einzigen Jäger, auch menschliche Räuber waren unterwegs. Seit einem Monat nun zogen Männer in grün-braun gefleckten Anzügen, mit erdbeschmierten Gesichtern, mit Bogen und rasiermesserscharfen Pfeilen durch die Cañons und ließen haufenweise Gedärm liegen, von dem die Wölfe fraßen, wenn sie, wie so oft, selbst nichts gerissen hatten.
    Bald tauchten auch Männer in leuchtendem Orange mit Gewehren auf. Manche fuhren in ihren Autos über die Waldwege und schossen aus dem Fenster auf alles, was ihnen vor den Lauf kam. Die romantischeren Naturen besprühten sich mit Hirschdrüsenduft oder imitierten die Brunftschreie, um die Tiere ins Fadenkreuz ihres Zielfernrohrs zu locken.
    Einen Monat lang herrschte im Wald hektisches Treiben; es wurde begattet und getötet, im Überfluss Leben gesät und vernichtet.
     
    Die beiden Jäger stapften schweigend den Weg entlang. Das einzige Geräusch auf dem nassen Waldboden war das Quatschen ihrer Gummistiefel. Ein steiler, mit Douglastannenbewachsener Abhang verschwand über ihnen hinter dem Vorhang eines klammen, herbstlichen Nebels, der seit dem Morgengrauen über dem Cañon lag.
    Die Männer trugen Kampfanzüge, und in den Gürteln steckten Automatikpistolen und lange Messer mit gezackten Klingen. Auf dem Rücken schleppten sie Rucksäcke, und die Magnum-Gewehre hingen ihnen über der Schulter. Morgen begann die Jagdsaison, und diese beiden wollten offensichtlich vom ersten Augenblick an dabei sein. Wahrscheinlich würden sie irgendwo ihr Zelt aufschlagen und noch vor dem Morgengrauen auf Pirsch gehen.
    Helen saß auf dem Beifahrersitz ihres Toyota und streichelte dem schlafenden Buzz gedankenverloren über den Kopf, während sie die Männer im Seitenspiegel näher kommen sah.
    Es waren nicht die ersten Jäger der Saison, die sie und Luke zu Gesicht bekamen. Einer von ihnen, kaum älter als sechzehn, hatte sie gefragt, wofür denn die Fallen waren, und als Helen es ihm erklärte, hielt er mit weit aufgerissenen Augen einen Vortrag darüber, dass Wölfe sämtliches Rotwild und alle Elche töteten, die doch von Rechts wegen ihnen, den Jägern, zustanden. Etwas in seinen Augen

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