Im Kreis des Wolfs
so klein aussah, dass man glaubte, ihn mit einer Hand aufheben zu können, verließ die Tankstelle. Die Flusswindungen blitzten hell wie Chrom zwischen den Pappeln auf.
Dan schaute auf die Tankanzeige. Gerade noch genug Saft für eine weitere Runde, dann sollten sie für heute Schluss machen.
Diesmal flog er direkt über die Ranch der Calders, auf der sich einige Kühe wie schwarze Ameisen vom sonnengebleichten Gras abhoben. Ein Auto wand sich durch die Hügel auf das Haus der Hicks zu. Bestimmt schon wieder so ein verdammter Reporter.
Sobald sie den Wald erreicht hatten, flog er niedriger, soniedrig, wie nur er es wagte, bis der Schatten des Flugzeugs in irrwitzigem Tempo über Baumspitzen und Cañon jagte. Gerade wollte er die Schnauze zum letzten Mal nach oben ziehen, da fiel sein Blick auf eine fahle, graue Gestalt weiter vorn, die über den felsigen Bergkamm aus seinem Sichtfeld huschte. Sein Herz schien auszusetzen, und als er zu Rimmer hinüberblickte, wusste er, dass er dasselbe gesehen hatte.
Sie sagten beide kein Wort, und die zehn Sekunden, die sie brauchten, um die Stelle zu erreichen, kamen ihnen viel zu lang vor. Dan zog eine weite Kurve, ging in Schräglage, als sie den Bergkamm überflogen, und beide spähten die andere Bergseite hinunter, dahin, wo das Tier verschwunden war.
»Ich habe ihn!«, rief Rimmer.
»Wo?«
»Bei diesem langen Felsbrocken. Er läuft gerade in den Wald.« Dann schwieg er einen Moment. »Ist ein Kojote, allerdings ein ziemlich großes Tier.« Er drehte sich zu Dan um und grinste entschuldigend. Dan zuckte die Achseln.
»Zeit, nach Hause zu fliegen.«
»Tja, sieht mir nach einem Job für den Fallensteller aus.«
Dan steuerte die Cessna in eine letzte Kurve, und für einen Moment funkelte die Sonne durch die Windschutzscheibe. Dann brachte er das Flugzeug in die Horizontale und nahm Kurs auf Helena.
Und irgendwo dort unten, an einem Ort dieser Wildnis, den ein Junge wie ein Geheimnis hütete, hörten Wölfe das Dröhnen der Flugzeugmotoren leiser werden und verstummen.
5
Helen Ross hasste New York. Und sie hasste es erst recht, wenn es vierunddreißig Grad warm und die Luft so feucht war, dass man sich wie eine Muschel fühlte, die in Abgasen gebacken wurde.
Bei ihren seltenen Besuchen in der Stadt beschloss sie stets, sich diesem Ort wie eine Biologin zu nähern, das Verhalten dieser seltsamen, über Bürgersteige trottenden Spezies zu beobachten und herauszufinden, warum einige Exemplare an dieser Hektik und diesem Lärm tatsächlich Vergnügen zu finden schienen. Sie selbst fühlte sich immer elend dabei. Und gleich nach der Landung und einem Augenblick kindlicher Begeisterung spürte sie, wie sie die Stirn in trotzige, abweisende Falten legte.
Die Falten waren jetzt unverrückbar an ihrem Platz. Und während sie an dem winzigen Tisch an jenem Ort des Restaurants saß, den der Besitzer lächerlicherweise
terrazzo
nannte und womit er den von staubigen Hecken umstandenen Pferch auf der Straße meinte, goss sich Helen Weißwein nach, zündete sich eine weitere Zigarette an und fragte sich, warum zum Teufel ihr Vater immer zu spät kommen musste.
Sie suchte sein Gesicht in der mittäglichen Menge auf dem Gehweg. Alle Welt sah hier unglaublich cool und attraktiv aus. Gebräunte junge Geschäftsleute in Leinenanzügen, die Jacketts mit bemühter Nonchalance über die Schulter geworfen, schwatzten mit Frauen, die allesamt perfekte Zähne, endlos lange Beine und wahrscheinlich gleich mehrere Abschlüsse einer Eliteuniversität vorzuweisen hatten. Helen hasste sie alle.
Ihr Vater hatte das Restaurant ausgewählt. Es lag in einem Distrikt namens SoHo, in dem sie noch nie zuvor gewesen war, der aber, wie er sagte, gerade
in
sei. Überall gab esKunstgalerien und jene Art Läden, die nur ein, zwei exquisite Artikel verkauften, die, ebenso exquisit ausgeleuchtet, auf riesigen freien Flächen lagen, von Verkäuferinnen bewacht, die geradewegs den Seiten von
Vogue
entsprungen zu sein schienen. Sie waren alle gleichermaßen mager, zogen eine verächtliche Miene und sahen aus, als würden sie einem allein schon aus ästhetischen Gründen den Eintritt verweigern, sollte man es wagen, sich ihnen zu nähern. Helen hatte jetzt schon nichts für dieses Viertel übrig, selbst geschrieben fand sie den Namen SoHo blöd.
Dabei war sie keineswegs von Natur aus so negativ eingestellt. Ganz im Gegenteil, meist reagierte sie geradezu abenteuerlich tolerant auf ihre Umwelt und ließ vieles
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