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Im Kühlfach nebenan

Titel: Im Kühlfach nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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ein bisschen nach Männerseife. Mehrere Nonnen flatterten wie elektrifizierte
     Hühner um ihn herum.
    »Das ist die Mutter Oberin«, erklärte Marlene mit Hinweis auf eine nicht mehr ganz frische, groß gewachsene Nonne mit Ringerschultern
     und einem Kreuz, dass man hätte meinen können, sie sei die Bauunternehmerin und der Landjunker nur ihr Sekretär. Die Kutte
     verwischte den Eindruck natürlich etwas. »Sie ist streng, aber beliebt. Und sie verwaltet das Kloster sehr umsichtig.«
    Zu den anderen Nonnen sagte sie nichts, aber ich spürte, dass sie einigen mit mehr Wärme zugetan war als anderen. Besonders
     schien Marlene ein kleines Schlitzauge |101| zu mögen, das mit einem feinen Lächeln und tiefen Lachfältchen etwas abseits stand. Sie sah aus, als hätte sie es faustdick
     hinter den Ohren.
    »Wer ist die, äh, Asiatin?«, fragte ich neugierig und bemüht, einen politisch korrekten Ausdruck für das Maoam zu finden.
    »Sie ist die Novizenmeisterin«, sagte Marlene kurz angebunden. »Denk dran, dass das Noviziat für dich Sperrgebiet ist.«
    Ich bestätigte das, obwohl ich mir vorstellen konnte, dass die jungen Novizinnen mit der schlitzohrigen Schlitzaugen-Schwester
     viel Spaß hatten. Der Baumeister schäkerte unterdessen mit den Nonnen, machte ihnen Komplimente über ihr Aussehen, obwohl
     unter der Haube das Gesicht nur von den Augenbrauen bis zum Kinn zu sehen war, und brachte sie mit Anekdötchen zum Schmunzeln.
     Dann erkundigte er sich mit plötzlichem Ernst nach dem Gesundheitszustand von Schwester Martha.
    Schlagartig verlosch das Lächeln auf allen Gesichtern. Die Oberin klatschte in die Hände. »Zurück an die Arbeit, meine Damen.«
     Die Nonnen verabschiedeten sich schnell und eilten in alle Richtungen davon. »Leider geht es Martha unverändert schlecht«,
     sagte die Oberin, als sie endlich mit Baumeister allein war. »Die Ärzte tun ihr Bestes, aber es ist völlig offen, ob sie durchkommen
     wird.«
    »Das tut mir leid«, sagte Baumeister erschüttert. »Er kann Martha gut leiden«, flüsterte Marlene mir zu. Als ob uns jemand
     hätte hören können, wenn sie lauter gesprochen hätte. »Martha arbeitet in der Verwaltung und ist zusammen mit der Oberin für
     die Bauplanungen zuständig. Sie ist ziemlich clever.«
    |102| Ich versuchte, mir die Nonnen mit ihren Ganzkörpergardinen an Kopiergeräten und Computern vorzustellen, fand das aber ziemlich
     lächerlich, sodass ich kichern musste. Marlene fand mich albern. Ich musste noch mehr kichern. Sie versuchte, ernst zu bleiben,
     aber ich spürte, dass ihre Beherrschung nachließ. Schließlich kicherte sie mit.
    »Warum kicherst du so albern?«, fragte ich. »Weiß nicht«, sagte sie und prustete laut los. »Weißt du bestimmt«, sagte ich.
     »Sag schon, warum?« Sie versuchte, sich zu beherrschen, kam aber gegen den Kicheranfall nicht an. »Wir hatten mal eine Schwester,
     deren Tracht in den Reißwolf gezogen wurde«, sagte Marlene, bevor ein erneuter Anfall sie schüttelte. »Wir mussten einen Techniker
     anrufen.« Sie prustete wieder los. »Der kam aber erst am nächsten Tag.« Jetzt gab es kein Halten mehr. Hätte Marlene noch
     einen Körper besessen, hätte sie jetzt tränende Augen und Zwerchfellkrämpfe der ganz harten Sorte gehabt. »Sie verbrachte
     die Nacht mit dem Reißwolf im Bett.«
    »Gab das keine moralischen Komplikationen?«, fragte ich.
    Marlene grölte.
    »Warum hat sie die Tracht nicht ausgezogen?« »Sie hatte noch eine von den alten Trachten, die aus einem Unterkleid, einem
     Oberkleid und einer Schürze bestanden. Das eine wurde im Rücken, das andere mit einem Knopf über der Schulter geschlossen
     und die Schürze über den Kopf gezogen. Alles war so verwurschtelt, dass sie nicht herauskam. Und sie wollte auf keinen Fall
     etwas abschneiden.«
    »Und was hat der Techniker gemacht?« »Alles abgeschnitten, natürlich«, japste sie. Dann wechselte ihre hysterische Albernheit
     übergangslos zu hemmungslosem Schluchzen. Ich wusste nicht, wie ich ihr in |103| ihrem Verlustschmerz helfen sollte. Ich konnte ihr nicht auf die Schulter schlagen und keinen Schnodderfeudel reichen. Weitere
     Tröstungen wie in den Arm nehmen wären sowieso nicht in Frage gekommen. Das war Weiberkram. Ein Mann reißt keine dicke mittelalterliche
     Nonne an seine Brust. Geht nicht. Ich wartete also peinlich berührt ab, bis sie sich wieder einigermaßen gefangen hatte. Nach
     einigen Minuten ging es wieder und wir konnten dem Gespräch

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