Im Labyrinth der Abwehr
„Aber dazu habe ich noch genügend Zeit."
„Dann frühstücken Sie mit uns", bat Angelika. Und vorwurfsvoll erklärte sie dem Oberst: „Frau Ditmar hat mir gesagt, daß Herr Weiß mehrfach befördert worden ist."
Landsdorf und Steinglitz saßen bereits im Frühstücksraum. Weiß verstand es, der Dame so geschickt zuerst Landsdorf, dann Steinglitz vorzustellen, daß dem Oberst nichts anderes übrigblieb, als sie an seinen Tisch zu bitten.
Wie sich herausstellte, hatte Angelika im Auftrag des Obersten die Spionageschule für Frauen besucht. Sie sagte zu Landsdorf:
„Merkwürdig, in allem, was die technische Ausbildung betrifft, haben die Frauen eine sehr gute Auffassungsgabe, aber als ich sie nach den einfachsten weiblichen Dingen fragte, die notwendig sind, um einen Agenten anzuwerben, zeigten sie eine erstaunliche Unbeschlagenheit."
Steinglitz, der sich einen Kognak eingegossen hatte, sagte mit Verachtung:
„Weiberagenten. Die taugen höchstens in Friedenszeiten, nicht gegen die Russen."
„Wieso?" Gott hat sie nicht anders geschaffen als uns", sagte der Oberst und spitzte spöttisch die Lippen.
Zu Weiß sagte Angelika:
„Die stellvertretende Leiterin in der Spionageschule ist eine Russin. Eine Gesichtshälfte von ihr ist schrecklich verunstaltet ..."
„Also ist sie eine zwiespältige Person", unterbrach sie Steinglitz. Weiß begriff, daß von Lusja Jegorowa die Rede war; zurückhaltend bemerkte er:
„Der wahre Kundschafter ist ein Mensch mit tausend Gesichtern. Welches davon das echte ist, wird nur der verstehen, der das seine nicht verloren hat."
„Sie haben aber einen eigenartigen Geschmack. Wie mir bekannt ist, war Ihnen das Mädchen nicht gleichgültig."
So eine schwatzhafte Alte, die Aufbaum, dachte Johann. Das wird sie teuer zu stehen kommen. Und lächelnd sagte er:
„Fräulein, wir von der Abwehr beherrschen zwar die Kunst, uns in jede beliebige Gestalt zu verwandeln, dennoch bleiben wir dabei Männer."
„Mir gegenüber verhielten Sie sich jedenfalls immer so zurückhaltend, daß man das jetzt für eine Beleidigung halten kann." Landsdorf blinzelte Weiß aufmunternd zu und sagte:
„Wie es scheint, treten auch die Unfehlbaren einmal fehl, allerdings ziemlich heimlich." Und laut auflachend legte er seine Hand Johann auf die Schulter.
Johann hob das Kognakglas an die Lippen, schaute vielsagend in die durchsichtigen, gallertartigen Augen Angelikas und sagte:
„Meine Herren, trinken wir dieses Glas auf unser reizendes Fräulein Angelika."
Alle waren gezwungen, sich von ihren Plätzen zu erheben.
In diesem Augenblick wurde die Tür des Speiseraums zuvorkommend geöffnet, und begleitet von einem ganzen Gefolge von SD- und Gestapobeamten trat Heinrich Schwarzkopf in eleganter SS-Uniform ein. In den Händen trug er eine Reitgerte, mit der er auf einen in der Mitte des Raumes stehenden Tisch wies:
„Dort!" und unwillkürlich auf die in der Ecke sitzende Gesellschaft schauend, fragte er einen der SD-Offiziere laut: „Sind Sie auch sicher, daß hier keine Herren sind, deren Gegenwart wir entbehren können?"
Landsdorf kam hinter dem Tisch hervor. Sogleich sprang der Hotelchef auf ihn zu und flüsterte ihm ehrerbietig, aber hartnäckig etwas ins Ohr.
„Unverschämtheit!" sagte Landsdorf laut und ging auf Schwarzkopf zu, den mageren grauen Schädel stolz zurückgeworfen.
Johann merkte, daß es Streit geben würde, und übernahm die Rolle eines Versöhners.
„Heinrich! So eine Überraschung! Wo kommst du denn her?" rief er begeistert.
Heinrich fuhr zusammen.
„Du, Johann?" fragte er erstaunt. Mit einem strahlenden Lächeln ging er auf Johann zu und umarmte ihn. Feierlich erklärte er: „Meine Herren, darf ich Ihnen meinen besten Freund vorstellen: Johann Weiß." Ehrerbietig stellte er sich Angelika, von Salz, Steinglitz und Landsdorf vor und sagte, sich entschuldigend: „Wenn mein Benehmen vorhin unhöflich war, so bin ich bereit, dafür jede Buße auf mich zu nehmen."
Sich an Landsdorf wendend, murmelte er:
„Ich bitte Sie vielmals um Verzeihung, Herr Landsdorf. Wir haben uns beim Reichsführer in Berlin getroffen, wenn Sie sich noch erinnern." Und auf Weiß deutend sagte er: „Ich habe Sie damals nach meinem Freund gefragt."
Johann wurde hellhörig. Wenn er über mich mit Landsdorf gesprochen hat, dachte er, sollte ich die Verbindung mit ihm erneuern. „Haben Sie meine Depesche aus Berlin erhalten?" fragte Heinrich in offiziellem Ton.
„Ja", erwiderte Landsdorf
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