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Im Labyrinth der Abwehr

Im Labyrinth der Abwehr

Titel: Im Labyrinth der Abwehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wadim Koshewnikow
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erforderlich wie notwendig. Vorstellungskraft muß sein, doch Sie dürfen sie nicht mißbrauchen. Überprüfen Sie jede Ihrer Handlungen, Ihrer Gedanken. Der zuverlässigste Bundesgenosse ist die Wahrheit der Natürlichkeit. Sie ist die hohe Schule, der große Lehrer. Sich von ihr entfernen, heißt, vom richtigen Weg abgehen, sich dem Untergang nähern."
    Bruno behielt die Namen all seiner Schüler im Gedächtnis. Doch er nannte sie nicht, er lehrte sie, sich ein Beispiel an den Heldentaten derjenigen zu nehmen, die nicht um eines Denkmals, nicht um des Lorbeers willen, sondern um des Vaterlandes willen ihr Leben eingesetzt hatten.
    Geduld, Ausdauer, organisatorisches Talent, Disziplin, Konsequenz, Unermüdlichkeit in der Verwirklichung seiner Ziele — all diese mehr als einmal wiederholten Leitsätze waren Johann früher als pädagogisches Dogma erschienen. Wie schwer war es, sich nach ihnen zu richten, zu entscheiden, ob das, was vor einem stand, etwas Wichtiges oder etwas Nebensächliches, Zweitrangiges war.
    War dieser Papke nun nebensächlich oder war er wichtig? Sollte er sich Papke nützlich erweisen, und konnte Papke dann, wenn man seine Gunst errang, vielleicht die Hintertür zur Gestapo öffnen? Mitarbeiter der Gestapo werden — das war nicht wenig.
    Aber durfte er Initiative zeigen, durfte er seine .Aufgabe, deren Ziel ihm unbekannt war, einem Risiko aussetzen? Nein, er hatte kein Recht dazu und keine Erlaubnis. Er mußte warten, mußte der einfache Johann Weiß sein.
5
    Bei Tagesanbruch erreichten sie Lódz.
    Im grauen, feuchten Nebel bewegten sich die Menschen wie Schatten. Auf dem Bahnsteig standen in einer langen Reihe die Gepäckträger, hinter jedem von ihnen ein Mann in Zivil. Sie begleiteten die Rücksiedler in die Unterkünfte in der Nähe des Bahnhofsplatzes. Am nächsten Tag wurden sie einzeln in die Zentralstelle für deutsche Einwanderer gerufen. Diese Organisation befaßte sich mit der politischen Überprüfung und mit der Verteilung der Rückkehrer auf ihre zukünftigen Arbeitsplätze.
    Von der Staatlichen Siedlungsstelle hing das weitere Schicksal der Rücksiedler ab. Hier trafen auch die Vertreter des faschistischen Geheimdienstes ihre früheren Agenten, von der Art Papkes, und warben neue an.
    Auf dem Weg zur Zentralstelle wiederholte Johann fast mechanisch aus dem Gedächtnis:
    „Tschirski, Karl, Obersturmbannführer SS, ehemaliger Mitarbeiter des Dresdner SD, Stellvertreter des Leiters des Reichssiedlungshauptamtes. Leitete in Lódz die Repatriierung der Deutschen aus baltischen und anderen Ländern. Kennzeichen: sechsunddreißig Jahre alt, hochgewachsen, hager.
    Sandberger, siebenunddreißig Jahre, Standartenführer SS, Leiter des Reichssiedlungshauptamtes, lebt ständig in Berlin, zeitweiliger Aufenthalt in Lódz.
    Reder, Rolf, fünfunddreißig Jahre, Obersturmbannführer SS, mittelgroß, blond, normaler Körperbau, rundes Gesicht, Mitarbeiter des SD zur Überprüfung der aus anderen Ländern ins Reich übersiedelnden Deutschen ..."
    Doktor Reder saß bequem im Sessel hingestreckt. Sein schwarzer SS-Rock war aufgeknöpft. Das weiße gestärkte Hemd lag straff über seinem gewölbten Leib. Konzentriert blickte er auf seine polierten Fingernägel, und Weiß nicht beachtend, machte er eine lässige Handbewegung.
    Johann setzte sich.
    „Na, und was haben Sie für Gründe?"
    „Ich will mein Leben für die Sache des Führers hingeben." Reder hob unwillig den Arm: „Heil!"
    Einen Stapel Fragebogen heranrückend, befahl er: „Gehen Sie ins nächste Zimmer und füllen Sie die Fragebogen aus."
    Johann stand auf, und als er sich zum Gehen wandte, spürte er plötzlich den auf seinen Nacken zielenden, stechenden Blick Reders. Er fühlte einen starken Drang sich umzudrehen, um diesem herausfordernden Blick zu begegnen. Doch er unterdrückte diesen unnötigen Wunsch, ging vorsichtig hinaus und schloß geräuschlos hinter sich die Tür.
    Die Formulare enthielten Fragen, auf die er vorbereitet war. Jetzt war er nur bemüht, den Fragebogen in der Zeit auszufüllen, die ein Mensch braucht, der auf die Antworten nicht vorbereitet ist. Nachdem er die Fragebogen dem Beamten übergeben hatte, wartete er im Vorzimmer und vermutete, daß Reder sich mit ihm gründlicher beschäftigen werde. Als man ihn endlich hereinrief, war Johann über die Frage Reders erstaunt:
    „Was denn? Sie sind immer noch da?"
    „Herr Sturmbannführer", sagte Weiß unverzagt, „ich wäre glücklich, wenn Sie mir einige

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