Im Labyrinth der Abwehr
dagegen, wenn ich hier an der Wand mein Bett aufbaue? Ich bin natürlich nicht verwundet, aber ich lasse mich gern kurieren, ich habe nur nicht oft Gelegenheit dazu. Seinen Körper muß man zu schützen wissen." Er legte sich hin und meinte: „Schlafen wir, was? Oder schnarchst du etwa?"
Below starrte unverwandt auf Baryschew. Dieser drückte auf den Knopf, und als die Schwester und hinter ihr der Arzt ins Zimmer traten, bat er:
„Sie müssen mich doch untersuchen. Ich fühle mich schwach." Dabei schlug er sich auf seine muskelbepackten Schultern. „Vielleicht ist es Rheuma? Vielleicht habe ich sogar Temperatur?"
Während der Arzt und die Schwester sich mit ihm beschäftigten, führte er mit ihnen endlose Gespräche. Er interessierte sich, ob es in dem Teich neben dem Lazarett Fische gab, auf was sie anbissen, wie es mit der Versorgung stehe, ob es hier oft Kino gäbe. Als der Arzt und die Schwester das Zimmer verlassen hatten, fragte Below verwundert:
„Sind sie Russen?"
„Die Schwester nicht, sie ist eine typische Ukrainerin, und der Arzt ist aus Sibirien. Er ist Armeeangehöriger, sie Freiwillige."
„Von der ROA?” fragte Below.
„Was du denkst! Wie sollten sie da in ein sowjetisches Lazarett kommen?" Er bat: „Beruhige dich, Sascha. Schätze die Lage objektiv ein, unter Berücksichtigung aller Faktoren." Er warf sich auf seinem Bett hin und her. „Ich kann nicht schlafen. Geben sie dir nichts zum Einschlafen?"
Below flüsterte:
„Doch. Aber ich zerreibe die Tabletten, und dann blase ich sie wie Staub weg, damit sie nicht merken, daß ich sie nicht einnehme. Sie wollen mich einschläfern, ich weiß."
„Das hast du Prachtjunge dir geschickt ausgedacht", lobte ihn Baryschew. „Aber eine mußt du mir mal gegen Schlaflosigkeit geben. Und du selbst nimmst eine zur Gesellschaft."
„Nein", sagte Below.
„Was, glaubst du mir nicht? Nur zur Gesellschaft ..." Baryschew gab Below die Tablette und ein Glas Wasser; dann beobachtete er, wie dieser sie schluckte. „Na, siehst du, du bist doch ein kluger Kerl." Er legte sich wieder hin und sah bald, wie Belows Gesicht einen ruhigen, müden Ausdruck annahm.
Nach einigen Minuten ging Baryschew leise auf den Flur hinaus. Aus dem Zimmer des Chefarztes rief er Moskau an. Er erklärte, daß sein Aufenthalt im Lazarett von äußerster Wichtigkeit sei.
Below schlief fast vierundzwanzig Stunden. Als er erwachte, öffnete er ängstlich die Augen, weil er fürchtete, daß ringsum alles wieder in neblige Umrisse getaucht sei. Doch seine Sehkraft war fast völlig wiederhergestellt, auf dem Nebenbett sah er den schlafenden Baryschew. Er lag still, um ihn nicht zu wecken. Doch Baryschew hatte einen leichten Schlaf, beim ersten Geräusch war er wach, lächelte Below zu, ging ans Fenster und öffnete die Vorhänge.
Plötzlich stand Below auf und ging zum Waschbecken. Baryschew fragte erstaunt:
„Was soll das? Du hast also simuliert?"
„Nachts bin ich aufgestanden und habe blind laufen gelernt, um es nicht ganz zu verlernen. Ich habe mir alles überlegt: Wenn es mir gelungen wäre zu fliehen, hätte ich mich als blinder Wehrmachtssoldat ausgegeben. In Berlin werde ich gebraucht!"
„Nein, mein Lieber, nicht, solange es gefährlich ist.”
„Hast du gesehen, was ich für einen Ausweis habe?"
„Hab ich."
„Na siehst du", sagte Below.
„Gar nichts sehe ich. Jeder Kontrollposten wird dich aufhalten."
„Ich brauchte nur durch die Frontlinien zu kommen."
„Damit ist Schluß", unterbrach ihn Baryschew. „Keine Linien, keine Front, und dein Ausweis ist nur noch ein Museumsstück, weiter nichts. Der Krieg ist zu Ende. Unsere lassen sich an der Elbe braunbrennen. So ist das. Und wenn du es wissen willst, den Vermerk über meine Ankunft und Abfahrt muß der sowjetische Stadtkommandant bestätigen. Und die Pistole brauche ich jetzt genausowenig wie die Filzstiefel in Sotschi. Verstanden?"
„Also ist es vorbei?"
„Genau. Vorbei."
Below schwieg lange. Plötzlich fragte er:
„Haben Sie einen Wagen?"
„Ist anzunehmen."
„Lassen Sie Heinrich Schwarzkopf holen, wenn er noch lebt. Man soll ihn herbringen."
„Erstens lebt er, und zweitens, was heißt, man soll ihn herbringen?
Genosse Schwarzkopf ist jetzt eine Amtsperson, Direktor eines Großbetriebes."
„Wo?"
„Was heißt hier wo? In unserer Zone."
„Ich will ihn aber sehen."
„Na meinetwegen. Schicken wir ein Telegramm."
„Sagen Sie, und was ist mit Nagel?"
„Der ist jetzt ein großes Tier,
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