Im Labyrinth der Abwehr
Vorsitzender eines Kolchos. Er schnallt sich eine Prothese an, es geht so einigermaßen."
„Und Elsa?"
„Du meinst die Orlowa. Sie arbeitet in einer Kaderabteilung. Sie zeigt ein auffälliges Interesse für das Bürgerrecht: etwa, ob die Ehe Subows mit einer Deutschen gesetzlich oder ungesetzlich ist. Man glaubt, sie hat Subow geliebt."
„Und wo ist Subow?"
Baryschews Miene verfinsterte sich. Er sagte, mühselig nach Worten suchend:
„Weißt du, die Maschine, in der er zusammen mit den SS-Bevollmächtigten geflogen ist, ist an ihrem Bestimmungsort nicht angekommen."
„Lebt er?"
„Ich wollte, er würde leben. Ich wollte es sehr." Er wechselte das Thema: „Lusja Jegorowa, weißt du, die mit dem verbrannten Gesicht, ist jetzt Mutter geworden, und was für eine begeisterte Mutter sie ist." Er sagte: „Machen wir eine Pause! Für den Anfang zehn Minuten Information, die übrigen Tage jeweils zehn Minuten mehr. Damit Ordnung ist. Wir sind hier nicht irgendwo, sondern im Lazarett."
Einige Tage später traf Heinrich Schwarzkopf in dem kleinen Städtchen ein. Als er bis zu Below vorgedrungen war, umarmte er ihn kräftig und begann flüsternd, wobei er zwischendurch auf Baryschew schaute, von der Zeit zu erzählen, als er allein seine Arbeit fortsetzen mußte. Baryschew hielt es für unangebracht, dem Gespräch eines sowjetischen Kundschafters mit seinem Kampfgefährten beizuwohnen, und ging hinaus.
Er setzte sich im Flur auf eine Bank neben einen riesenhaften Kerl, rauchte und unterhielt sich mit dem genesenden Offizier. Als er wieder ins Zimmer zurückkehrte, sagte Heinrich verlegen:
„Entschuldigen Sie, ich wußte nicht, daß Sie Oberst Baryschew sind."
„Das ist mein Versäumnis, ich habe mich nicht vorgestellt."
Auch ihm erzählte Heinrich von den letzten Tagen des faschistischen Deutschlands.
Baryschew hörte ihn ruhig an. Dann sagte er nachdenklich:
„Im Grunde sind das alles, wie man so sagt, vergangene Dinge. Sie, Genosse Heinrich, müssen jetzt daran denken, was aus Deutschland werden soll. Mit dem Faschismus aufgeräumt haben wir, ein neues Deutschland aufbauen aber müssen Sie ... Und wenn wir schon von der Arbeit reden, so möchte ich Sie bitten, Ditmar doch als Ingenieur einzustellen, auch wenn er Invalide ist."
„So ist das nicht! Ich habe einen Brief bekommen, in dem dieser Ditmar als ausgesprochener Nazi bezeichnet wird ...”
„Auch das hat man mir gemeldet", unterbrach ihn Baryschew. „Seien Sie wachsam. Heimliche Nazis sind bemüht, diejenigen deutschen Spezialisten, die mit Ihnen zusammenarbeiten wollen, zu kompromittieren."
„Friedrich Ditmar? Aber den kenne ich doch!" rief Below.
„Darum geht es ja gar nicht, ob du ihn kennst!" sagte Baryschew. „Es geht darum, daß der Feind zu verschiedenen Zeiten verschiedene Methoden anwendet, sein Ziel aber ist immer ein und dasselbe: den Menschen, wenn nicht physisch, dann moralisch zu töten."
Heinrich wandte sich an Below:
„Johann, ich habe mich entschlossen, in die Kommunistische Partei einzutreten. Was meinst du, ob sie mich nehmen?"
„Entschuldigen Sie, daß ich mich schon wieder einmische." Die Stimme Baryschews klang sehr ernst. „Wenn das bekannt wird, werden bei der Partei viele Briefe über Sie eintreffen, über Sie als ehemaliger SS-Mann, die von ehrlichen Leuten geschrieben werden."
„Ich verstehe", sagte Heinrich. Zum Abschied fragte er: „Du wirst mich doch besuchen, Johann?"
„Und du mich?"
„In Moskau, unbedingt. Schreib deine Adresse auf."
Als Heinrich gegangen war, sagte Baryschew:
„Das ist die Hauptsache bei uns: den Menschen retten."
Es war ein alter Bomber, den man nach langen Dienstjahren in eine Passagiermaschine verwandelt hatte. Gesteuert wurde sie von zwei jungen Leuten, die die Fliegerschule unmittelbar vor Kriegsende abgeschlossen hatten. Und da auf ihren Blusen weder Orden noch Medaillen waren, sah es aus, als ob an ihrer Uniform etwas nicht stimmte.
Daß die Piloten noch sehr jung waren, daß ihre Ausrüstung noch neu war, so, als käme sie eben aus der Kleiderkammer, und daß ihre Gesichter äußerst besorgt aussahen — all das erinnerte die Passagier; meist ältere Offiziere, an die Zeit, als sie selbst in den Krieg gegangen waren.
Von oben sah die Erde sauber und sorgfältig bestellt aus. Und die Häuschen mit den hohen Ziegeldächern erschienen genauso hell und freundlich und gemütlich wie auf den Öldrucken in dem Lehrbuch von Gläser und Pätzold, nach dem die meisten
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