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Im Labyrinth der Abwehr

Im Labyrinth der Abwehr

Titel: Im Labyrinth der Abwehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wadim Koshewnikow
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wieder blätterte er dessen Personalakten durch und gelangte allmählich zu einigen für ihn interessanten Schlußfolgerungen.

    So war im Fragebogen als ständiger Wohnort Gorlowka angegeben, und in der Berufsspalte stand „Einzelbauer". Aber was konnte das für ein Einzelbauer mitten im Industriegebiet des Donbaß sein?
    Überdies stand im Fragebogen ein russischer Familienname, obwohl es gleich darauf hieß, daß er ukrainischer Nationalität sei.
    Johann überlegte, wie dieser Familienname klingen würde, wenn man ihn auf ukrainisch aussprechen würde, und er entdeckte, daß dies der Name eines im ganzen Land bekannten Bergarbeiters war.
    Abends begab sich Johann zum Sonderblock und setzte den Blockführer in einem keinen Widerspruch duldenden Ton davon in Kenntnis, daß der Hauptmann der Abwehr, Dietrich, ihn mit Wissen Obersturmbannführer Kleins bevollmächtigt habe, zwei Häftlinge zu verhören. Im gleichen Befehlston ordnete er an, den Häftling Nr. 740014, und genau eine Stunde später das „Kaninchen" zum Verhör zu bringen.
    Der Blockführer führte Johann in eine für Verhöre bestimmte Zelle und ließ ihn dort allein. Johann schaute sich um. Hinter ihm stand ein bis an die Decke reichender Schrank, dessen Tür nicht verschlossen war. Johann prallte zurück. Im Schrank befanden sich Instrumente, um die Häftlinge während des Verhörs zu foltern. Von der Decke hingen Rollen mit Handfesseln herab, am Boden lagen Fußfesseln. Johann versuchte sie anzuheben, aber er schaffte es nicht. Er setzte sich an den Tisch und packte einen mit Schrauben besetzten Gummiknüppel. Doch seine Finger lösten sich sogleich wieder. Ihm fiel ein, daß das, was da vor ihm lag, eine Erfindung von Reiß war, der er sich einmal gerühmt hatte und die er scherzhaft „das Zepter mit den Eheringen" nannte.
    Es klopfte. Der Blockführer brachte den Häftling 740014 herein und nahm, an der Tür stehend, Haltung an. Johann nahm wieder den Gummiknüppel in die Hand, kam einige Schritte heran und befahl dem Blockführer, die Zelle zu verlassen. Er ließ den Gummiknüppel vor dem Gesicht des Häftlings baumeln und fragte auf russisch: „Na, was sagst du dazu?" Dann schlug er den Gummiknüppel, so, als wolle er ihn erproben, mit voller Wucht gegen den Türpfosten. Er öffnete die Tür, schaute hinaus. Der Flur war leer.
    Johann trat an den Tisch und sagte:
    „Setzen Sie sich."
    Der Häftling setzte sich auf den am Boden festgeschraubten schweren Hocker.
    Ihm unverwandt in die Augen schauend, nannte Johann den richtigen Namen des Häftlings.
    „Sie sind Stachanowarbeiter. Kommunist, nicht wahr?"
    Der Häftling hielt den müden Blick auf seine Hände gesenkt. Sein Gesicht blieb unbeweglich.
    Johann schrie:
    „Rede, du Schweinekerl!" Und wieder schlug er mit dem Gummiknüppel auf den Tisch.
    Der Bergarbeiter drehte ihm den Rücken zu und hob die Hände gewohnheitsgemäß über den Kopf.
    Johann setzte sich und meinte:
    „Rauchen wir eine ..."
    Der Häftling blickte ihn erstaunt an.
    „Ist schon richtig", sagte Johann, „hat alles seine Richtigkeit. Du bist ein Prachtkerl."
    „Aber du bist ein Lumpenkerl", sagte der Bergarbeiter ruhig, würdevoll. „Du bist ein Wolf im Schafspelz."
    „Jawohl", sagte Weiß, „genau getroffen. Aber nehmen Sie trotzdem das ganze Päckchen, als Beute sozusagen."
    Der Bergarbeiter zog ungläubig die Zigaretten zu sich heran, verbarg sie schnell an der Brust. Er fragte:
    „Du denkst, du kannst mich kaufen?"
    „Wenn Sie doch nur käuflich wären!"
    „Was bist du für einer?"
    „Na schön", sagte Weiß, „genug davon." Er beugte sich vor. „Und wenn ich dir nun vertraue?"
    „Kaufen willst du mich", wiederholte der Bergarbeiter eigensinnig.
    „Komm her!" Der Bergarbeiter kam gefügig näher.
    Johann öffnete den Schrank.
    „Bleib stehen!“
    Der Häftling streckte wie auf Befehl die Hände zu den Fesseln hin.
    „Nicht nötig. Beweg dich ein bißchen, rühr dich!“
    Der Bergarbeiter kam seinen Befehlen nach.
    „Jetzt geh rein, stütz dich gegen die Wand, und daß mir kein Laut, kein Geräusch zu hören ist. Verstanden?"
    Er schloß den Schrank und ging hinaus. Auf dem Flur war niemand zu sehen. Vor dem Sonderblock war ebenfalls keine Menschenseele. Das Lager schien wie ausgestorben. Das grelle, irgendwie tote Licht der Scheinwerfer vermischte sich mit dem Nebel. Und Johann hatte für einen Augenblick das Gefühl der Unwirklichkeit. Doch nur für einen Augenblick. Der Blockführer, der das

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